Harry Potter-Musical in Hamburg: Zauber im Samtsessel
Vielleicht hat Harry Potter ja den Hamburger Bürgermeister verzaubert. Zweieinhalb Wochen vor der gestrigen Premiere hatte Peter Tschentscher die Produktionsstätte des lang erwarteten Theaterstücks um den Zauberlehrling im Mehr!-Theater am Großmarkt besucht und sich von Produzent Maik Klokow einen Einblick in die erste nicht-englischsprachige Inszenierung von "Harry Potter und das verwunschene Kind" geben lassen.
Alle Plätze durften besetzt werden
Während nach dem jüngsten Bund-Länder-Treffen vielerorts die Auslastungen für Kultur- und Großveranstaltungen auf 30 bis 50 Prozent der Besucherkapazitäten begrenzt worden sind, dürfen in dem 1.672-Plätze-Haus unter Einhaltung der 2G-Plus-Bedingungen und Maskenpflicht tatsächlich sämtliche der roten Samtsessel belegt werden.
Klokow hatte im Vorfeld deutlich gemacht, dass eine beträchtliche Zuschauerreduktion zur erneuten Premierenverschiebung und Theaterschließung führen würde - was nicht nur ihn als Geschäftsführer des Veranstalters Mehr-BB-Entertainment angesichts von mehr als 42 Millionen Euro Produktionskosten getroffen, sondern auch Hamburg einen Dämpfer verpasst hätte.
Die Potter-Bühnenfortsetzung verspricht klingelnde Kassen
Schließlich verspricht die Bühnenfortsetzung der Bücher und Filme um den Hogwarts-Helden der Autorin J. K. Rowling der Hansestadt Auftrieb im Tourismus-Geschäft, dürften ähnlich wie im Londoner Palace Theatre die Fans aus dem deutschsprachigen Raum über Jahre hinweg für ein ausverkauftes Haus sorgen.
Zumal das Stück in zwei Teilen aufgeführt wird und jeder Gast nicht nur Klokow durch den Kartenkauf gleich doppelt verdienen lässt, sondern unter der Woche durch die Vorstellungen der beiden Teile an zwei aufeinanderfolgenden Abenden auch dem corona-gebeutelten Hotel- und Gastronomiegewerbe an der Elbe ersehnte Einnahmen bescheren dürfte.
"Harry Potter und das verwunschene Kind": Es wurden bereits 350.000 Tickets verkauft
Schließlich waren schon vor der Premiere bereits 350.000 Tickets verkauft worden, und das für ein Musical, das mit der Magie der Rowling-Bücher nur noch bedingt zu tun hat: Denn das Bühnenstück spielt 19 Jahre nach dem letzten Band "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes".
Längst ist der Held von einst erwachsen, verheiratet mit Ginny Weasley (Sarah Schütz), der Schwester seines Freundes Ron Weasley, und arbeitet als gestresster Leiter der magischen Strafverfolgung im Ministerium für Zauberei, dem inzwischen seine Jugendfreundin Hermine Granger (Jilian Anthony) vorsteht.
Einer der Söhne fremdelt mit Hogwarts
Nach Hogwarts schickt Potter (Markus Schöttl) nun nur noch seine zwei Söhne - doch der zweitgeborene Albus Severus (Vincent Lang) fremdelt mit dem Zauberinternat und dem dortigen langen Helden-Schatten seines Vaters. Kurz nach der Abfahrt vom Gleis Neundreiviertel des Bahnhofs Kings Cross freundet sich der Filius im Hogwarts-Express ausgerechnet mit Skorpius Malfoy (Mathias Reiser) an, Sohn von Harrys einstigem Widersacher Draco Malfoy (Alen Hodzovic).

Die Jungs beschließen, ein Unrecht ihrer Väter aus der Vergangenheit wieder zurechtzubiegen: Schließlich gibt es im Ministeriumszimmer von Hermine einen Zeitumkehrer, durch den sie in die Vergangenheit reisen können.
Für manche mag die Handlung etwas ermüdend wirken
Wer bis hierhin alles verstanden hat und auch mit einer Wiederauferstehung des Urbösewichts Lord Voldemort nicht fremdelt, ist zweifellos ein Potter-Fan - für alle anderen ist die Geschichte bisweilen nur schwer nachzuvollziehen, schleppt sich die breitgetretene Handlung über die insgesamt fünf Stunden bisweilen eher ermüdend dahin.
Zumal Dramatiker Jack Thorne, der das Skript mit Rowling und Regisseur John Tiffany entwickelte, in den Dialogen allzu viel und oft um die Vater-Sohn-Problematik kreist, ohne diese emotionalen Auseinandersetzungen gedanklich, psychologisch oder dramaturgisch weiter zu vertiefen: Zweifel, Schuldgefühle, Kindheitstraumata, Albträume und finstere Parallelwelten - Psychonummern, die mit zunehmender Spieldauer zur Wiederholung der Wiederholung werden.

Der Zauber der Geschichte droht, sich zu verlieren
Und damit auch das Schicksal Harry Potters in sich tragen, dessen Millionen-Erfolg nach Büchern und Filmen hier nun eine weitere Neuauflage erfahren soll.
Doch die Wiederholung der Wiederholung birgt niemals die Faszination des Ursprungs - und so drohte sich der Zauber der Geschichte zu verlieren, wären da nicht das Bühnenbild in der ohnehin eindrucksvollen Theaterarchitektur mit den geschwungenen Stahlträgern der Großmarkthallen, die bisweilen überwältigenden Licht-, Spezial- und Klangeffekte bis hin zu den Mark und Bein erschütternden Bässen der Zeitreisen - und natürlich die Zaubertricks.
So bietet sich zumindest dem Auge eine magische Welt, stehen die aus Lektüre und Kinoerlebnis wohlbekannten Orte vom Bahnhof über das Zaubereiministerium und die Reihenhäuser aus Harrys Kindheit bis hin zum Verbotenen Wald in malerischen Farben und Formen wieder auf. Löst der Zauberauftritt der Protagonisten durch den Kamin ebenso Jubel aus wie das Verschwinden durch die Telefonzelle vor dem Ministerium oder die Feuerblitze ihrer Zauberstöcke.
Aber: Bilder und Effekte überzeugen
Bilder und Effekte, die am Ende den Beifall sichern - und garantiert auch den Merchandise-Shops im Foyer einen guten Absatz bescheren werden. Und wie wir inzwischen ja wissen: Solange die Kasse nicht zuletzt für Rowling stimmt, kann die Neubelebung der Saga auch mit der Wiederholung der Wiederholung weitergehen.
Hamburg: Mehr! Theater am Großmarkt, Karten (ab 49,90 Euro) unter Telefon 01806/934934
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