"Francesca da Rimini" von Anna-Sophie Mahler - die AZ-Kritik
Wir alle sind Gefangene: Anna-Sophie Mahlers Musiktheater "Francesca da Rimini" im Westflügel des Hauses der Kunst
So ist es vielleicht nach dem Tod. Man wartet mit anderen Gestorbenen in einem Zwischenraum, irgendwo im Nirgendwo. Es ist heiß, nahe der Hölle. Die Türen schließen sich. Man wird mit einem poetischen Text gequält. Und dann geht es hinein und hinunter in die Unterwelt.
Ob da dann auch zwei Klaviere den Anfang der Dante-Symphonie von Franz Liszt donnern? Anna-Sophie Mahlers Musiktheater „Francesca da Rimini“ beginnt im Westflügel des Hauses der Kunst stark. Und die beiden Pianisten Stefan Wirth und Bendix Dethleffsen hauen kraftvoll in die Tasten.
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Doch dann schaut man im Westflügel des Hauses der Kunst auf ein Labyrinth aus automatischen Türen und Milchglasscheiben. Nein, es ist nicht die Hölle, sondern ein ordentliches Frauengefängnis mit Sozialarbeit, Gitarrenunterricht, höflichen Wärterinnen und Resozialisierungsabsicht. Drei Frauen (Eva Löbau, Vivien Mahler und Judith Huber) erzählen von ihrem gescheiterten Leben. Die eine hat das Recht auf freie Meinungsäußerung übertrieben, die zweite hat einen Drogenentzug hinter sich, die dritte kommt aus unglücklichen Verhältnissen. Es sind harmlose Geschichten mit geringer Fallhöhe.
Freie Szene mit dem Blattgold des Staatstheaters
Die auf Dantes „Göttliche Komödie“ gründende Legende der Francesca da Rimini ist da schon heftiger. Der jungen Frau wurde vorgegaukelt, sie würde mit dem schönen Paolo verheiratet und nicht mit dem hässlichen Giovanni, der das bei der Lektüre eines Ritterromans zueinander findende Paar brutal erschlägt.
So erzählt es jedenfalls die Oper „Francesca da Rimini“ von Riccardo Zandonai, aus der Iulia Maria Dan einige Ausschnitte singt. Aber das Beziehungsdrama in diesem Stoff interessiert die Regisseurin leider nicht.
Auch ästhetisch bleibt der Abend schwach. Die Musik formuliert weder einen harten Kontrapunkt zu den Frauenbiografien, noch unterstreicht sie das Gesagte. Und deshalb wird der Abend schon bald kunstgewerblich: freie Szene im Blattgoldrahmen eines Staatstheaters.
Gegen Ende spielt eine ferne Orgel das Magnificat aus Liszts Symphonie. Dann folgt eine Dante-Vertonung mit präparierten Klavieren. Die Gefangenen bringen die Wärterin um und verwandeln sich in sie. Wir alle sind Gefangene. So allgemein, so banal.
Haus der Kunst, 24. und am 25. Juli, 19 Uhr, Karten kosten 20 Euro, Telefon 2185 1920
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