"Handmade": Feiertagsschampus im GOP
München — "Frauen machen die besseren Handstände" sagte Regisseur Knut Gminder während des Pressegesprächs vor der München-Premiere des neuen Programms im GOP-Varietétheater. Früher einmal war die Handstand-Equilibristik eine männliche Domäne, denn sie ist eine Spielart der Akrobatik, die reichlich Muskeln erfordert. Doch das Verständnis des weiblichen Körpers habe sich geändert, erklärt Gminder, und seit etwa zehn Jahren seien Frauen beim artistischen Kraftsport "viel schöner und klarer als die grobmotorischen Männer".
Schwerelosigkeit und Eleganz
Der Beweis dieser These ist die Schweizerin Veronica Fontanella, die von den GOP-Talentscouts direkt von der Staatlichen Artistenschule in Berlin weggebucht wurde. Selten sieht man sowohl Handstände als auch das Schweben und Stürzen an und in Vertikaltüchern ausdrucksstärker und eleganter. Der Gegenbeweis für die Auffassung des Regisseurs ist Vladimir Snitko, die männliche Hälfte des ukrainischen Duo Prime ohne jeden Anflug von Grobmotorik. Fast könnte man glauben, er und seine Partnerin Kataryna Gaidamanchuk hätten die Schwerelosigkeit erfunden.
Italo-Flair und Kunst mit Hand und Fuß
So jung und auch innovativ diese "Kunst mit Hand und Fuß" ist, so nostalgisch ist die Show "Handmade" gemeint. Theaterdirektor Peter Weil beschreibt das Konzept als eine Hommage an die Zeit, als das Varieté in Deutschland ganz allmählich wieder in Schwung kam. Es gibt daher keine gesampelten Sounds oder computeranimierte Projektionen, sondern ein Bühnenbild, das ein wenig an ein bundesdeutsches Italo-Ristorante in den Sechziger Jahren erinnert. Die Zwei-Mann-Combo "Lonely HusBand" wiederum schwelgt in den Siebzigern, als "die Haare lang und die Beziehungen kurz" waren.
Musikalische Klassiker live gespielt
Rick van Nöten und Ferdinand Fachblatt sind nicht nur die Livemusiker, die von multibegabten Kolleginnen und Kollegen aus der Akrobatik-Abteilung an Schlagzeug, Kontrabass oder Posaune unterstützt werden, sondern auch die Conférence zuweilen mit historischem Humor, überwiegend aber witzig bis aberwitzig übernehmen. Neben Abba und einer schrägen Country-and-Western-Parodie präsentieren sie eine Hymne auf München, die Frank Sinatra zugeschrieben wird. Auf der Melodie von "New York, New York" feiert der Song "Mühünchehen, die Perle an der A 9".
Das Beste aus der Vergangenheit
Der Österreicher Andreas Jordan tritt sogar auf wie im Varieté der 1920er-Jahre und zeigt dann aber eine rasante Jonglage, bei der er Ringe so durch den Raum wirbeln lässt wie man es bisher nur bei Bällen gewohnt war. Diese Nummer brachte ihn zum nächstjährigen Festival "Cirque de demain" in Paris ein, wo Trends des Zirkus von morgen präsentiert werden. Ebenso ist der Auftritt von Fenja Barteldres eine runde Sache. Sie flirtet mit ihrem Cyr Wheel, einem frauhohen Stahlring, in einer hinreißenden Choreografie.
Ein Traumpaar ist auch das Duo E1nz (gesprochen: Eins) aus der Schweiz. Esther und Jonas Slanzi spielen mit unfassbarer Virtuosität mit dem Diabolo - eigentlich nur ein Doppelkegel und ein dünnes Seil -, jonglieren auf schräg gestelltem Tisch ein gutes Dutzend Schampusflaschen und schwingen sich an einem Turngerät, das Counterweight-Vertikalseil heißt, so spektakulär wie einst der Glöckner von Notre Dame nach oben und nach unten durch den Raum. Das alles ist begeisterndes Entertainment nicht nur für die nahenden Feiertage.
GOP-Varietétheater, Maximilianstraße 47, bis 15. Januar, Di bis Do 20 Uhr, Fr und Sa 17.30 und 21.30 Uhr, So 14.30 und 18.30 Uhr, Telefon 210288444
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