Kritik

Die Lach & Schieß im Silbersaal

Das Ensemble mit skurrilen Geschichten im Deutschen Theater
Mathias Hejny |
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Das neue Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft: Frank Klötgen, Sebastian Fritz und Christl Sittenauer treten derzeit im Silbersaal des Deutschen Theaters auf.
Florian Heine Das neue Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft: Frank Klötgen, Sebastian Fritz und Christl Sittenauer treten derzeit im Silbersaal des Deutschen Theaters auf.

Sie sind wieder da, wenn auch noch nicht zu Hause angekommen. Der Stammsitz der Lach- und Schießgesellschaft hätte am vergangenen Silvester wiedereröffnet werden sollen, dann war von Mai die Rede und inzwischen teilt das legendäre Theaterchen in Schwabing das Schicksal mancher öffentlicher Großbaustellen wie die zweite S-Bahn-Stammstrecke: So genau will sich niemand mehr auf Termine und Kosten festlegen.

Im Falle des "Ladens" in der Haimhauserstraße ist man dennoch unverbindlich zuversichtlich, dass der Betrieb "noch vor der Wiesn" wiederaufgenommen werden kann. So lange wollten weder der von Ex-OB Christian Ude geführte Verein "Die Laden-Hüter", der ein Lach-und-Schieß-Programm im Exil aufbaut, noch die drei vom Hausensemble warten.

Kind der wirtschaftlichen Krise

Die Fernsehmoderatorin Christl Sittenauer, der Schauspieler Sebastian Fritz und der Slam-Poet Frank Klötgen wurden schon vor vier Jahren noch von Till Hofmann gecastet. Nachdem der erfolgreiche Kleinkunst-Unternehmer im Streit aus der Geschäftsführung ausgestiegen war, fehlten die notwendigen Zuschüsse aus den Gewinnen von Lustspielhaus und Vereinsheim. Es kam zur Insolvenz.

Das neue und erst zweite Programm dieses Ensembles ist zwar ein Kind der wirtschaftlichen Krise ihrer traditionsreichen Kabarettbühne und trägt den Titel "Abgespeckt", aber das Ambiente, in dem die Premiere stattfand, ist prächtiger denn je. Durch die Zusammenarbeit der Laden-Hüter mit dem Deutschen Theater ist der Silbersaal, das neobarocke Schmuckkästchen, zum Asyl der Lacher und Schießer geworden.

Überbucht

Sie werden noch immer geliebt, denn der Neustart war nicht nur ausverkauft, sondern Christian Schultz von der Geschäftsführung der Veranstaltungsgesellschaft konnte gegenüber der AZ nicht ohne Stolz erklären: "Wir sind überbucht". Schon mit dem ersten Programm "Aufgestaut" erwies sich das Trio nicht als Revoluzzer des politischen Kabaretts, sondern nutzte die Reibungsenergie zwischen den völlig unterschiedlichen Charakteren zum Erzählen satirischer bis skurriler Geschichten.

Auch in "Abgespeckt" gibt es keinen Spott über Kanzler Scholz und keine Witze über Außenministerin Baerbock, nur Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner finden beiläufige Erwähnung. Dafür rahmen Industrielle in Übergröße die Handlung: eine apokalyptische Räuberbande aus Mark Zuckerberg und Elon Musk, angeführt von Jeff Bezos. "Das ist ein Überfall. Hier ist das Geld!" lautet die neue Strategie.

In einer Oase

Die Weltherrschaft wird nicht mehr durch Raubzüge erreicht, sondern indem die Welt mit dem bereits angehäuften Superreichtum abhängig gemacht wird. Ein lohnendes Projekt scheint eine Wellness-Oase in den bayerischen Alpen zu sein ("Ein bisschen Spa muss sein"). Dort erholen sich in der Bergwelt die Reichen und Doofen, während im Tal unter den Ureinwohnern der Widerstand wächst. Man fürchtet, dass der Saunabetrieb und der Hubschrauberverkehr das Schmelzen des Gletschers beschleunigen und ihr Dorf bald geflutet sein wird.

Das Sprengen des Luxushotels kommt natürlich der Umwelt wegen nicht in Frage. Ein Wackersdorf-Veteran beginnt mit dem Job als Handtuchschwenker in der Sauna seinen "Gang durch die Institution". Doch bis der Klassenkampf auf der Alm in Schwung kommt, dauert es eine lange Weile, aber vermutlich spielt sich die Truppe in den nächsten Auftritten noch etwas geschmeidiger ein.

Die Marotten sowohl der Gelegenheitsaktivisten da unten als auch der Neureichen da oben machen in der Inszenierung von Sven Kemmler Spaß. Es gibt Kluges wie zu den aktuellen Kriegen ("Auch die Soldaten der Guten sind Täter") oder Ätzendes wie von einer Charity-Lady, die sich freut, dass in Deutschland jedes fünfte Kind arm ist und man deshalb auch in dankbare Augen von Menschen blicken kann, die deutsch sprechen. Dazu gibt es neu getextete Popsongs, bei denen vor allem die Sittenauerin mit sängerischer Qualität auffällt.

Deutsches Theater, Silbersaal, morgen, 30. Januar, 1., 6., 7., 20. Februar, 20 Uhr, Karten unter lachundschiess.de

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