Kritik

Sie hat die Beatles nicht gesprengt: Eine Biografie über Yoko Ono

Das Buch "Yoko Ono -Die Biografie" von David Sheff porträtiert die umstrittene Künstlerin. Die AZ-Kritik.
Nicola Bardola |
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Das Bed-in war eine Form des gewaltfreien Protests für den Frieden, das John Lennon und Yoko Ono während des Vietnamkriegs im Hilton Hotel in Amsterdam (Foto) und im Queen Elizabeth Hotel in Montreal einsetzten.
imago/ZUMA/Keystone 6 Das Bed-in war eine Form des gewaltfreien Protests für den Frieden, das John Lennon und Yoko Ono während des Vietnamkriegs im Hilton Hotel in Amsterdam (Foto) und im Queen Elizabeth Hotel in Montreal einsetzten.
Die Künstlerin Yoko Ono in der Ausstellung "Double Fantasy - John & Yoko" im Museum of Liverpool, das zum 50. Jahrestag der ersten gemeinsamen Nacht des Paares, am 19.05.1968, in der sie ihr erstes gemeinsames Album "Unfinished Music No. 1: Two Virgins" produziert haben, eröffnet wird.
picture alliance / Jason Roberts/PA Wire/dpa 6 Die Künstlerin Yoko Ono in der Ausstellung "Double Fantasy - John & Yoko" im Museum of Liverpool, das zum 50. Jahrestag der ersten gemeinsamen Nacht des Paares, am 19.05.1968, in der sie ihr erstes gemeinsames Album "Unfinished Music No. 1: Two Virgins" produziert haben, eröffnet wird.
Yoko Ono, Menschenrechtsaktivistin, Filmemacherin und Künstlerin,
picture alliance/dpa/EFE 6 Yoko Ono, Menschenrechtsaktivistin, Filmemacherin und Künstlerin,
Yoko Ono.
picture alliance / dpa 6 Yoko Ono.
Yoko Ono 2014 im Guggenheim Museum in Bilbao.
picture alliance / dpa 6 Yoko Ono 2014 im Guggenheim Museum in Bilbao.
"Yoko" von David Sheff
Penguin 6 "Yoko" von David Sheff

Anfang der 1970er Jahre sagte John Lennon, Yoko Ono sei "die bekannteste unbekannte Künstlerin der Welt". Der Buchautor und Journalist David Sheff interviewt John und Yoko im September 1980 bei ihnen Zuhause im Dakota Building in New York City. Am Ende hat er über zwanzig Stunden O-Töne der beiden auf Band.

Yoko Ono, Menschenrechtsaktivistin, Filmemacherin und Künstlerin,
Yoko Ono, Menschenrechtsaktivistin, Filmemacherin und Künstlerin, © picture alliance/dpa/EFE

Daraus entsteht das Buch "All We Are Saying", in dem deutlich wird, wie sehr John die Aufmerksamkeit auf Yoko richtet. Nach der Ermordung John Lennons am 8. Dezember 1980 bleibt Sheff mit der berühmtesten Witwe der Welt und ihrem und Johns Sohn Sean Taro Ono Lennon gut befreundet. Jetzt erscheint Sheffs Biografie über die heute 92-jährige Yoko, ein intimes Porträt, das so auch von Sean, der inzwischen die LennOno-Geschäfte führt, befürwortet und unterstützt wird.

Sachlich und streng chronologisch

"Ihr ganzes Leben lang war Yoko eine Karikatur, ein Kuriosum und oft auch ein Bösewicht - eine undurchschaubare Verführerin, eine manipulierende Betrügerin und eine schreiende Schwindlerin. Die Lennon-Beatles-Saga ist eine der großartigsten Geschichten, die je erzählt wurden, aber Yokos Teil wurde übersehen, wurde versteckt im gewaltigen Schatten der Beatles, weiter verdunkelt durch eklatante Frauenfeindlichkeit und Rassismus", so David Sheff.

Er gliedert die sehr sachlich und streng chronologisch verfasste Biografie in drei Teile: "Above Us Only Sky" von der Geburt in Tokyo bis zur "Cut Piece"-Performance in London; "The Ballad of Yoko and John" vom Kennenlernen in der Indica Gallery bis zur Ermordung Johns; "Yoko only" von der Trauerarbeit bis zur Gegenwart.

Yoko Ono.
Yoko Ono. © picture alliance / dpa

Minutiös beschäftigt sich Sheff mit Kindheit und Jugend Yokos. Er stellt die Heranwachsende im Bildungssystem zwischen Japan und den USA so dar, dass deutlich wird, wie und warum sie sich für Avantgarde interessiert und zu einer führenden Künstlerin innerhalb der von Männern dominierten Fluxus-Bewegung wird.

Sie hat die Beatles zusammengehalten

Im zweiten Teil präsentiert Sheff detailreich die Konzeptkünstlerin, Performerin, Sängerin, Filmemacherin und Friedensaktivistin. Auch für Beatles-Kenner hat dieses Buch Neues zu bieten, denn Sheff interpretiert die Geschichte der Fab Four von 1966 bis zur Trennung aus der Perspektive Yokos. Im Mittelpunkt steht die Muse und Geliebte John Lennons und ihre Erlebnisse in jenen Jahren.

Dabei gelingt Sheff ein Kunststück: Er zeigt, dass Yoko nicht die erfolgreichste Band der Welt gesprengt hat, sondern ganz im Gegenteil: Yoko hat die Beatles zusammengehalten: "Von nun an war Yoko regelmäßig bei den Aufnahmesessions der Beatles zugegen, was in vielen Einzelheiten beschrieben und scharf kritisiert wurde. Yoko wurde als Eindringlich diffamiert, man warf ihr vor, sich in die Magie der Beatles einzumischen. Tatsächlich aber kam sie mit, weil John sie bei sich haben wollte", so Sheff.

"Yoko" von David Sheff
"Yoko" von David Sheff © Penguin

Es spricht vieles dafür, dass sich John ohne Yoko in den Jahren nach Brian Epsteins Tod oft gar nicht mehr ins Studio geschleppt hätte. Der Weggefährte Klaus Voormann beteuert, dass Yoko den Gründer der Beatles gerettet hat.

Im dritten Teil "Yoko only" verfolgt Sheff, wie Yoko nach der Ermordung Johns ihr Leben neu aufbaut, Drohungen und Verrat übersteht und weiterhin Avantgarde-Kunst und Musik schafft und sich für Frieden einsetzt. Ausgehend von seinen Erfahrungen und Interviews mit ihr, ihrer Familie, ihren engsten Freunden, Mitarbeitern und vielen anderen beschreibt Sheff Yokos neun Jahrzehnte, beschreibt ein ungewöhnliches Künstlerlebens und Yokos Platz in der Geschichte und ihren tiefgreifenden Einfluss auf Kunst, Musik, Feminismus und Aktivismus.

Den Sohn im Blick

Herausragend dabei sind Passagen, die von der unermesslichen Trauer Yokos nach Johns Tod erzählen. Sheff berichtet hier aus erster Hand, denn er ist kurz nach dem Attentat selbst bei Yoko und Sean im Dakota Building. "Sie versuchte in Seans Gegenwart nicht zusammenzubrechen, aber manchmal tat sie es doch. Sean ging es nicht anders. In ihrer Gegenwart war er meist stoisch, aber wenn er allein war, weinte er. Und sie sagte sich immer wieder, dass sie für Sean überleben musste", so Sheff. Drei Lennon-Fans nehmen sich um die Jahreswende 1980/81 aus Verzweiflung das Leben.

Yoko Ono 2014 im Guggenheim Museum in Bilbao.
Yoko Ono 2014 im Guggenheim Museum in Bilbao. © picture alliance / dpa

Der Autor hat vor allem auch Sean im Blick. Er berichtet ausführlich von Seans Reaktionen und Ängsten nach dem Tod Johns. Der Fünfjährige beklagt sich immer wieder, sein Bett, ja das ganze Zimmer zittere. Aber Sean ist es selbst, der zittert. Yoko stellt fest, dass ihr die Arbeit hilft. "Wenn ich untätig im Dakota hätte sitzen müssen, wäre ich aus dem Fenster gesprungen, weil ich von Natur aus ein Workaholic bin. Musik war das Natürlichste, was ich mir vorstellen konnte."

John Lennons Tod verarbeiten

Yoko veröffentlicht im Januar die Single "Walking On Thin Ice", die sie kurz vor der Ermordung mit John schon fast fertiggestellt hatte. Sie wird ihr erster Chart-Erfolg und später ein Disco-Hit. Anfang 1981 arbeitet Yoko am Album "Season of Glass". Sie wird jedoch heftig für ihre Produktivität kritisiert. Das Album erscheint ein halbes Jahr nach Johns Tod. Manche Radiosender und Plattenläden boykottieren es, auch wegen des Covers. Im Hintergrund ist der Central Park zu sehen, im Vordergrund eine Fensterbank im Dakota mit einem halbvollen Glas Wasser, daneben John Lennons blutverschmierte Brille, die er beim Attentat trug.

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"Das ist John, wie er jetzt ist", erwidert Yoko den Gegnern. Sie verwendet später das Foto wiederholt bei Antiwaffenkampagnen. Auf der Rückseite des Umschlags ist fast dasselbe Bild zu sehen, aber es fehlt die Brille, stattdessen steht dort eine Geranie und das Glas ist voll. "Yoko versuchte, ihre Realität zu verändern. Es war ein Wunsch. Wenn sie bildlich darstellen konnte, dass alles besser wurde, geschah es vielleicht auch", so Sheff.

Wie dies auch künstlerisch tatsächlich geschieht, zeigt Sheff im weiteren Verlauf. Dass Yoko für ihr provokantes und ausdrucksstarkes Avantgarde-Werk zunehmend auch von Beatles-Fans respektiert wird, dazu trägt dieses Buch bei. Yoko gilt heute als eine der renommiertesten Multimediakünstlerinnen. Ihre Einzel-Ausstellungen werden in den renommiertesten Museen der Welt gezeigt.

David Sheff: Yoko Ono - Die Biografie" (btb, 416 S., 26 Euro). Vom 11. April bis 31. August zeigt der Berliner Gropius-Bau die große Ausstellung "Yoko Ono: Music of the Mind". Weitere Ausstellungen sind in der Neuen Nationalgalerie ("Yoko Ono: Dream Together", 11. April bis 14. September) und im Berliner Kunstverein ("Touch", 2. März bis 31. August) zu sehen.

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