AC/DC in München: Eine hardrockende Reise
MÜNCHEN - Im Regen zeigten die australischen Hardrocker von AC/DC, dass sie auch im gestandenen Rock-'n'-Roll-Alter die Fans zum euphorischen Ausrasten bringen.
Sie rollten an, eine nach der anderen. Immer wieder. Laut und stetig. Nein, nicht die prognostizierten schweren Gewitter, sondern die La-Ola-Wellen, die am Freitag Abend ab 20.30 Uhr unaufhörlich durchs Rund des München Olympiastadions rockten und rollten. Der gleichen Arena, die Bayern-Manager Uli Hoeneß mal als „Stimmungsgrab“ diffamierte. Die Stimmung liegt wohl doch eher am Produkt als der Arena...
Zeitreise mit den Aussie-Rockern
Um Punkt 20.57 Uhr eruptierte dann die Stimmung endgültig in der nach oben offen Euphorie-Skala, denn da fuhr er im Olympiastadion ein, der „Rock ’n’ Roll“-Train aus der australischen Stahlschmiede AC/DC. Erst als virtueller Film im Comic-Style, ehe dann ein Zug die Bühnendeko durchbrach und AC/DC losrockten. Der Zug nahm die 70.000 mehr als enthusiastischen Passagiere mit auf eine unvergessliche, hardrockende Reise. Eine Reise in die über 30-jährige Schaffensphase der Aussie-Rocker.
Da werden Klassiker wie „Hells Bells“ (mit Sänger Brian Johnson, der am Glockenschlegel eine Tarzan-Impersonifikation ablieferte), „The Jack“ (mit dem obligatorischem Bühnenstrip von Gitarrenheld Angus Young, der aber – anders als früher – nicht mehr den nackten Hinten, sondern eine Short mit AC/DC-Logo präsentiert), „Whole Lotta Rosie“ (mit aufblasbarer rubenesken Riesenfrau, die den „Rock ‚n’ Roll-Train“ reitet) , „TNT“ (mit den berühmten „Oi,! Oi!“-Sprechchören aus 70.000 Kehlen) oder „Highway To Hell“ neben neuen Songs wie „Big Jack“, „Black Ice“ oder „War Machine“ abgefeuert.
AC/DC setzen auf Konstanz
Dieser Zug ist kein hochglanzpolierter, mehdornisierter ICE-Express, es ist eine Retro-Dampflok, die man im Schweiße seines Angesichts befeuert. Die Musik-Arbeiter von AC/DC, die ihren Namen von der Rückseite eines Staubsaugers entlehnten (englisch für Gleichstrom/Wechselstrom) sie heizten den Fans im ausverkauften Olympiastadion gehörig ein auf dieser Nostalgie-Reise.
AC/DC das steht für die Schönheit der Simplizität, die hypnotische Kraft der drei Akkorde. In einer Zeit, in der man allein mit dem Versprechen von Wandel, dem Slogan vom „Change“, schon zum mächtigsten Mann der Welt aufsteigen kann, da sind AC/DC synonym für Unverbiegbarkeit, sie setzen auf Berechenbarkeit, auf Konstanz, auf die Unwandelbarkeit der Qualität. In diesem Sinne sind Sänger Brian Johnson, die Gitarristen Angus und Malcolm Young, Bassist Cliff Williams und Drummer Phil Rudd die Anti-Obamas, die Unwandelbaren.
Volle Kraft voraus im strömenden Regen
Seit fast 30 Jahren stapft Johnson mit der Anmut eines Hafenarbeiterts auf der Suche nach der Bahnhofstoilette über die Bühne und presst über zwei Stunden seine Stimme dermaßen aus dem Körper, dass man denkt, er muss das stille Örtchen gefunden haben. Gitarren-Hero Angus Young gibt weiter in seiner Schuluniform den hyperaktiven Zappelphilipp-Pennäler. Alles nicht neu, alles herrlich bekannt, alles wunderbar unwandelbar. AC/DC halt. Die Stimmung ließ sich auch vom einsetzenden Regen nicht unterkriegen, auch die Band selber zog sich nicht hinters Bühnendach zurück, sondern trotzte tapfer den Elementen. Young spielte sein langes Bluesrock-Solo im strömenden Regen, drehte sich dabei am Boden liegend im feuchten Nass. Und um 22.59 Uhr, da fuhr der Zug nach den finalen Kanonenschlägen von „For those about to rock“ wieder ab. Zwei Stunden, bei denen AC/DC mit ihren drei Akkorden den kürzesten Weg zum Herzen der Fans gefunden hatten.
AC/DC eben, so wie man sie mag, so, wie man sie sehen will. Jetzt und noch in 30 Jahren. Oder wann immer der Rock ’n’ Roll-Train mal wieder Halt macht.
Matthias Kerber