Weiterer Allgäuer Großbauer im Visier: Staatsanwaltschaft

Immer mehr Milchbauern im Allgäu müssen sich dem Vorwurf der Tierquälerei stellen. Inzwischen befasst sich die Staatsanwaltschaft mit drei Betrieben. Nun rückt zudem ein Putenschlachter in Oberbayern in den Fokus.
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Eine Kuh in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb streckt ihren Kopf durch die Holzlatten eines Stalls. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/Archiv
dpa Eine Kuh in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb streckt ihren Kopf durch die Holzlatten eines Stalls. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/Archiv

Memmingen/Ampfing (dpa/lby) - Der Skandal um Tierquälerei in großen Allgäuer Bauernhöfen nimmt immer schlimmere Ausmaße an. Nun ist ein dritter Rinderhalter ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Es wurden Vorermittlungen gegen das Unternehmen eingeleitet, wie die Staatsanwaltschaft Memmingen am Donnerstag mitteilte.

Am Mittwoch hatte das zuständige Veterinäramt den Bauernhof mit einem großen Rinderbestand kontrolliert. Gegen den Landwirt liegen nach Auskunft des Landratsamtes Unterallgäu Hinweise wegen Verstößen in der Tierhaltung vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen zwei Betriebe aus dem Allgäu wegen Tierquälerei-Vorwürfen. Zudem ist ein Putenschlachtbetrieb in Oberbayern mit Vorwürfen des nicht artgerechten Verladens der Tiere in Ungarn konfrontiert.

Im Unterallgäu waren schon im Juli schwere Vorwürfe der Tierquälerei gegen einen der größten Milchviehbetriebe Bayerns mit rund 2850 Rindern bekannt geworden. Videoaufnahmen eines Tierschutzvereins sollen zeigen, wie dort Kühe getreten und geschlagen oder mit einem Traktor durch einen Stall geschleift werden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall gegen neun Verdächtige, darunter der Inhaber, Mitarbeiter sowie drei Tierärzte. Gegen den Betreiber besteht der Verdacht, durch Unterlassen von Behandlungen oder das Einschläfern kranker Rinder den Tieren Schmerzen zugefügt zu haben. Die Polizei bildete eine 30-köpfige Sonderkommission. Das Unternehmen äußert sich weiterhin nicht öffentlich zu den Vorwürfen.

Am Mittwoch teilte die Staatsanwaltschaft Memmingen mit, dass sie Ermittlungen gegen einen zweiten Milchviehbetrieb im Allgäu aufgenommen habe. Es seien anonyme Hinweise auf Verstöße in der Tierhaltung des Großbauern ebenfalls im Landkreis Unterallgäu eingegangen, die sich nach einer Vorprüfung bestätigt hätten. Am Donnerstag wurde schließlich bekannt, dass es Vorermittlungen gegen einen dritten Bauernhof gibt. Das Allgäu ist für seine teils intensive Milchviehhaltung bekannt.

Die Landtags-Grünen forderten eine Rinderhaltungsverordnung. "Vom Huhn bis zum Kaninchen ist im Tierschutzgesetz die Haltung von Nutztieren klar geregelt. Einzig für Rinder und Puten gilt diese Regelung nicht", kritisierte die Sprecherin für Landwirtschaft, Gisela Sengl.

Unterdessen gibt es auch Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Transport von Puten aus Ungarn zu einem Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb im oberbayerischen Ampfing (Landkreis Mühldorf a. Inn). Die Soko Tierschutz veröffentlichte im Internet ein mehrere Wochen altes Video, das zeigen soll, wie lebende Puten teils meterweit in Tiertransporter regelrecht geschleudert werden.

Die Süddeutsche Truthahn AG teilte dazu mit, dass aus dem Betrieb in Ostungarn bis zur Klärung der Vorwürfe keine Puten mehr nach Ampfing geliefert werden dürften. "Weiter haben wir dies zum Anlass für eine Regelung genommen, dass alle Höfe, die uns beliefern, ab sofort noch häufiger geprüft werden", sagte Vorstand Dieter Bockhorn. Bisher hätten sich jedoch aus den Transport- und Veterinärprotokollen keine Hinweise auf mögliche Tierschutzvergehen ergeben. Zuvor hatten mehrere Medien über die Vorwürfe berichtet.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) plädierte für eine Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Produktion und Schlachtstätten müssten wieder nahe beieinander liegen, um unsinnig weite Lebendtransporte zu stoppen. "Zur Wahrheit gehört aber auch: Wer Unterschriften sammelt gegen einen Putenstall mit 10 000 Tieren in Bayern, bekommt sein Fleisch dann eben aus einem Betrieb mit 100 000 Puten aus Osteuropa", sagte der Minister.

Die Grünen im Landtag forderten harte Sanktionen. "Erst wenn Lieferungen beschlagnahmt und Transportfahrzeuge bis zur Bußgeldzahlung festgesetzt werden, tut das den tierquälenden Unternehmen richtig weh und führt hoffentlich zu einem anderen Umgang mit den Tieren", sagte die Sprecherin für Verbraucherschutz der Landtags-Grünen und Vorsitzende des Umweltausschusses im Landtag, Rosi Steinberger.

Auch die Landtags-SPD forderte harte Konsequenzen und eine rückhaltlose Aufklärung. "Die Bilder von diesen Tierquälereien sind völlig unerträglich", sagte Verbraucherexperte Florian von Brunn. "Damit muss jetzt endgültig Schluss sein." Zusammen mit der SPD-Landwirtschaftsexpertin Ruth Müller und der Tierschutzsprecherin der Fraktion, Martina Fehlner, richtete er einen umfangreichen Fragenkatalog an die Staatsregierung.

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