"Waldläufer": Drei Jahre und drei Monate Gefängnis
Ein verurteilter Straftäter erntet Sympathien. Weil seine Geschichte so unglaublich klingt: Er lebte im Wald, ernährte sich von dem, was er bei Einbrüchen in Hütten fand. Und wurde lange nicht gefasst.
Hof - Sein Bart ist lang, das Haar ebenso. Der Angeklagte macht einen schüchternen, fast scheuen Eindruck. Er trägt die Anstaltskleidung aus der Untersuchungshaft. Eigene Kleidungsstücke hat er nicht. Als "Waldläufer" vom Kornberg ist der Mann bekanntgeworden, am Mittwoch wird er vom Amtsgericht Hof zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Weil er zehn Monate lang im Fichtelgebirge in Wochenendhäuser sowie Jagd- und Fischerhütten eingebrochen ist. Dabei stahl er, was er zum Überleben im Wald brauchte: Lebensmittel, Werkzeug, Kleidung.
Der Schaden liegt bei 1200 Euro, an den Hütten richtete er einen Sachschaden von 6400 Euro an. Dem "Waldläufer" schlägt trotzdem Sympathie entgegen. Viele Zuschauer sind zwar nicht in den Gerichtssaal gekommen, doch manche zeigen Verständnis für den Angeklagten, der sogar Fußfesseln tragen muss. "Och", sagt eine Frau, als das Urteil verkündet wird. Eine andere sagt: "Der arme Mann."
Lesen Sie hier den Bericht von damals: "Waldläufer" nach 90 Einbrüchen im Fichtelgebirge gefasst
Schon als die Einbruchserie noch lief und sich abzeichnete, dass ein Einsiedler einbricht, um sein Überleben zu sichern, hatten die Menschen ihm Lebensmittel vor die Hütten und Häuschen gestellt. So musste er nicht eigens einbrechen, sondern konnte sich das Essen einfach so abholen. Anwalt Walter Bagnoli erzählt, dass in seiner Kanzlei Kleidung und andere Geschenke für den "Waldläufer" abgegeben werden.
Über seinen Anwalt ließ der Mann aus Tschechien am Mittwoch ein Geständnis vorlesen. Zur Sprache kommt auch die Vergangenheit des 62-Jährigen: Von den Kommunisten seien seine Eltern, die Landwirte waren, enteignet worden. Er selbst habe zwar einen Schulabschluss, aber keine Berufsausbildung. Und irgendwann sei er durchs soziale Netz gefallen.
Seit 2006 war er arbeits- und obdachlos. Er entschloss sich, in den Wald zu gehen und sein Überleben mit Einbrüchen zu sichern. Zweimal wanderte er deshalb in Tschechien ins Gefängnis, einmal in Österreich. Im März 2014 zog es ihn ins Fichtelgebirge. Kontakt mit Menschen habe er bewusst vermieden, lässt der Angeklagte mitteilen. Er habe niemanden erschrecken wollen.
Der Anwalt wirbt um Verständnis für seinen Mandanten - schließlich habe dieser nicht gestohlen, um sich zu bereichern, sondern um zu überleben. Wertgegenstände habe er bei seinen Beutezügen schließlich nicht mitgenommen. Er beantragt: zweieinhalb Jahre Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft dagegen argumentiert: Es ist egal, wo ein Straftäter lebt. Einbruch ist Einbruch. Die Anklage will den "Waldläufer" sogar vier Jahre in Haft sehen.
Soweit geht Richter Gerhard Severin nicht. Aber auch wegen seiner schon verbüßten Haftstrafen wird der Tscheche zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt. Der Richter duldet keine Entschuldigungen. Einbrechen statt Arbeiten sei eben keine gangbare Alternative. Das Gericht wirft auch einen Blick voraus: Was wird sein, wenn der 62-Jährige die Haftstrafe verbüßt hat? Wird er dann in das gleiche Muster zurückfallen? Oder gibt es eine Chance, im Rentenalter ein geordnetes Leben zu führen? Der "Waldläufer" schweigt dazu.
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