Verbot geht in Rauch auf

Die Mehrheit von CSU und FDP lockert das Gesetz. Seehofer droht Abweichlern in den eigenen Reihen: Hohn und Spott von der Opposition. Das Trauerspiel geht weiter...
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Die Mehrheit von CSU und FDP lockert das Gesetz. Seehofer droht Abweichlern in den eigenen Reihen: Hohn und Spott von der Opposition. Das Trauerspiel geht weiter...

NÜRNBERG/MÜNCHEN Vor eineinhalb Jahren setzte die CSU das schärfste Rauchverbot Deutschlands durch. Dann kam das Desaster bei der Landtagswahl, eine Zwangsehe mit der FDP samt Treueschwur, dass in bayerischen Wirtshäusern und auf Volksfesten wieder gepafft werden darf. Am Mittwoch wurde er eingelöst. Im Landtag ging das Rauchverbot in Rauch auf. Aber nur unter massivem Druck. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte den CSU-Abgeordneten zuvor gedroht, sie würden der Union am 27. September den Wahlsieg verpatzen, falls sie nicht zustimmen.

Doch das letzte Wort ist damit noch lange nicht gesprochen. Jetzt muss das bayerische Volk entscheiden – ob es nicht doch lieber ein totales Rauchverbot will. Die ÖDP reicht heute ihre Unterschriften für ein Volksbegehren ein. Und die EU will bis 2012 das Rauchen in allen öffentlichen Räumen europaweit ganz verbieten.

„Das ist doch Schwachsinn, was die machen“

Noch kurz vor der Abstimmung nahm Seehofer den Lindauer CSU-Abgeordneten Eberhard Rotter persönlich in die Mangel. „Er hat mir nochmals die weitreichenden Auswirkungen bis zum 27. September klar gemacht“, erzählt der Volksvertreter der AZ. Dann bekam er weiche Knie – und stimmte doch gegen sein Gewissen. „Hoffentlich kommt jetzt bald die EU“, flehte er danach. Drei weitere Neinsager konnte Seehofer noch neutralisieren. Sie enthielten sich ihrer Stimme.

Standfestigkeit dagegen bewies der Münchner CSU-Arzt Thomas Zimmermann: „Das ist doch Schwachsinn, was die machen“, warf er Seehofer und der CSU vor und stimmte mit Nein. An seiner Seite der Nürnberger Hermann Imhof: „Da hat sich die CSU einen Bärendienst erwiesen. Ich rechne damit, dass das Volksbegehren eine echte Chance hat.“ Der Dritte im Bunde der Aufrechten war der FDP-Gesundheits-Sprecher Otto Bertermann. „Das ist ein katastrophales Signal. Rauchen wird jetzt wieder salonfähig.“ Er habe als Arzt seine eigene Partei „nicht überzeugen können“, räumte Bertermann ein und schimpfte: „Was ist wichtiger? Die Koalitionsräson oder die Gesundheit der Leute? Das ist doch keine Politik, was hier gemacht wird!“

Nach der Abstimmung kam Seehofer zu ihm, schüttelte ihm hämisch die Hand und sagte mit präsidialer Stimme. „Einmal im Leben darf man irren.“ „Ich irre mich nicht“, giftete der FDP-Mann zurück.

"Das Gesetz lässt Rauchern und Nichtrauchern Luft zum Atmen"

Im Landtag hatte es bei der Diskussion heftig geraucht. Der Vize-Fraktionschef der FDP, Andreas Fischer, verteidigte das Wahlversprechen seiner Partei: „Raucher müssen sich nicht mehr wie Aussätzige nach draußen oder auf die Toilette schleichen. Wir glauben an die Freiheit.“ Sein FDP-Kollege, der Schlagersänger Tobias Thalhammer: „Das ist ein Gesetz des gesunden Menschenverstands, das Rauchern und Nichtrauchern Luft zum Atmen lässt.“

Grünen-Landesvorsitzende Theresa Schopper warf den CSU-Abgeordneten vor: „Sie haben keinen Mumm. Ihnen müsste es doch die Schamesröte ins Gesicht treiben, wenn sie dieses Gesetz beschließen. Es wird eh nicht lange halten.“ Gesundheitsminister Markus Söder versicherte: „Der Gesundheitsschutz bleibt oberste Priorität.“ Das aber glauben ihm nicht mal alle in CSU und FDP.

Angela Böhm

Was die EU plant, und die Nürnberger Wirte von der Entscheidung halten, lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Donnerstag, 16. Juli.

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