"Unterkünfte werden abgerissen": CSU-Bürgermeister will keine Geflüchteten mehr in seiner Gemeinde aufnehmen

Der Bürgermeister von Gachenbach will in seiner Gemeinde keine Geflüchteten mehr aufnehmen und stößt damit auf Zustimmung.
Niclas Vaccalluzzo
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Wenn es nach Alfred Lengler geht, soll diese Unterkunft bald nicht mehr stehen.
Wenn es nach Alfred Lengler geht, soll diese Unterkunft bald nicht mehr stehen. © privat

Schrobenhausen - "Das Schönste an meiner Gemeinde sind die Menschen", sagt Alfred Lengler (CSU) der AZ. Er ist Bürgermeister von Gachenbach im Landkreis Schrobenhausen. Nun kündigte er an, bei sich im Ort keine Asylbewerber mehr aufnehmen zu wollen: "Jetzt ist Schluss, hier kommt keiner mehr", sagt Lengler. "Wir haben auch schon gekündigt und die Unterkünfte werden abgerissen."

Immer wieder berichtete der Bürgermeister öffentlichkeitswirksam von Vorfällen im Zusammenhang mit Geflüchteten. Zuletzt vor zwei Wochen in der BR-Sendung "Jetzt red i". Was folgte, war Aufschrei, Zustimmung und Instrumentalisierung.

Der Bürgermeister von Gachenbach, Alfred Lengler (CSU).
Der Bürgermeister von Gachenbach, Alfred Lengler (CSU). © Foto: privat

Geflüchtete störten wohl eine Trauerfeier

Die Schilderungen des Bürgermeisters sorgen für Aufregung. Konkret geht es um zwei Gebäude, die die Gemeinde seit 2015 für Geflüchtete zur Verfügung gestellt hat. Dann die Ankündigung, dass er keine Asylbewerber mehr aufnehmen wird. Wie kam es so weit?

Lengler schildert der AZ einen Vorfall Ende Dezember letzten Jahres. Während der Trauerfeier für den Feuerwehrkommandanten der Gemeinde hätten zwei afrikanische Flüchtlinge zwei ältere Damen belästigt und angegriffen. Zudem hätten die beiden Männer Kinder angepöbelt und die Andacht in der Kirche gestört. "Wir haben dann die Polizei gerufen und die haben die beiden mitgenommen", sagt Lengler.

Als der Bürgermeister am nächsten Tag bemerkte, dass die beiden zurück in die Unterkunft gebracht wurden, platzte ihm endgültig der Kragen. "Ich habe sofort den Landrat, Regierungspräsidenten und Innenminister angerufen", erzählt er. Schlussendlich seien die Männer woanders untergebracht worden. Immer wieder habe es Probleme mit den Geflüchteten gegeben, sagt Lengler.

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Bürgermeister stellt klar: "Ich bin kein Rechter!"

Einen weiteren Vorfall gab es aus einer ganz anderen Richtung. Die rechtsextreme und neonazistische Kleinpartei "Der Dritte Weg" veranstaltete eines Tages eine Kundgebung vor den Unterkünften. "Die sind plötzlich in der Nacht aufgetaucht und haben ihre Zeichen da hingeschmiert."

Lengler ist es wichtig, sich von rechtem Gedankengut abzugrenzen. Seit seinem Fernsehauftritt werde er immer wieder von rechts instrumentalisiert, sagt er. "Die AfD hat mich dazu aufgefordert, ihnen beizutreten." Bei dem Gachenbacher sind sie aber an der falschen Adresse: "Das wird niemals passieren! Die sollen den Blödsinn bleiben lassen! Ich bin kein Rechter!"

Auch die Menschen in seiner Gemeinde nimmt Lengler in Schutz. Bei der Landtagswahl habe die AfD in der Gemeinde das zweitkleinste Ergebnis des Stimmkreises erzielt. "Wir wissen schon, wo rechts, links und die Mitte ist", sagt er.

Dabei hatte alles ganz friedlich angefangen: "Als 2015 die Syrer oder Afghanen kamen, gab es noch keine Probleme", schildert Lengler, "mit denen haben wir Tee getrunken und Feste gefeiert". Anfangs hatte man sich sehr bemüht zu helfen, sagt er. Auch in der Gemeinde habe es viel Bereitschaft gegeben.

Bürgermeister beklagt fehlende Hilfe von offizieller Seite

"Wir waren an der Spitze mit dem höchsten Anteil an Asylbewerbern bei uns." Seit den Vorfällen der vergangenen Jahre änderte sich die Stimmung schnell. "Schlussendlich stand ich als Bürgermeister immer alleine da." Er sei immer wieder zu den Unterkünften gerufen worden, um für Ruhe zu sorgen, und stand dann alleine vor lauter Betrunkenen. Abgesehen von der Polizei sei von offizieller Seite aber keine Hilfe gekommen.

Auch von seinen Bürgermeisterkollegen ist Lengler enttäuscht: "Die haben mich alleine gelassen!" Erst nachdem er eine Versammlung samt Abstimmung arrangiert, konnte er seine Kollegen davon überzeugen, einen gemeinsamen Brandbrief nach Berlin zu verfassen. Lengler glaubt, viele hätten Angst, sich zu äußern.

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Damit erklärt er sich auch den starken Zuspruch, seit seinem Auftritt. Täglich werde er auf der Straße angesprochen und für seine Äußerungen gefeiert. "Auch mein Sohn erzählt mir von positiven Nachrichten auf Facebook", sagt er. Er sei davon überzeugt, dass es eine stille Mehrheit gebe, die sich nicht traut zu sagen, was sie denkt, weil sie sonst in die rechte Ecke gedrängt werden – auch bei den Bürgermeistern.

"Wir leben in Bayern und nicht in Russland oder China, wo man nichts mehr sagen darf", so Lengler. Mit seinen Äußerungen hofft er, diese Stille nun durchbrechen zu können und zugleich bei der Politik Gehör zu finden. "Die Menschen drücken mir die Daumen, dass mir da keiner an den Karren fährt."

Bürgermeister kritisiert die Strategien des Bundes

Lengler fordert Ehrlichkeit und Aufmerksamkeit von der Politik. "Die sind so weit weg von uns normalen Menschen", sagt er, "die beschäftigen sich nicht mehr mit den wirklichen Problemen". Konkret will der Bürgermeister Grenzkontrollen, Ablehnung von Nicht-Asylberechtigten und konsequente Abschiebung. Nur so könne man wissen, wer wirklich Hilfe brauche und das Problem in den Griff kriegen. "In einer Ortschaft von 650 Menschen kann ich mit dieser unkontrollierten Menge einfach nicht umgehen – man kann sie also nur begrenzen."

Wird sich nach dem Asyl-Gipfel vom Dienstag was verbessern? Daran glaubt Lengler nicht. "Ich habe schon erwartet, dass nichts Vernünftiges dabei rauskommt", so sein Urteil zu den Einigungen. Es werde immer nur über Geld gesprochen und nicht über Bewältigungsstrategien, sagt er. "Wie immer hat jede Partei nur auf die eigenen Interessen geschaut und nicht darauf, was das Beste für unser Land ist."

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  • BBk am 12.11.2023 11:34 Uhr / Bewertung:

    Um die Asylverfahren zu „beschleunigen“, will Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf die intensivere Überprüfung von Migranten verzichten. Insbesondere die Sicherheitschecks sollen reduziert werden.
    Dann sollen weniger Ausweise oder Urkunden geprüft werden. Auch wenn kein Pass vorhanden ist, entfällt der Smartphone-Check, mit dem bislang die Nationalität festgestellt werden sollte.
    Recherchen in EU-Computern zu Einträgen der Asylbewerber werden ebenfalls abgeschafft.
    Wer als Innenministerin so offensichtlich gegen die Interessen Deutschlands und seinen Amtseid verstößt muss umgehend entlassen werden.

  • Der wahre tscharlie am 11.11.2023 15:25 Uhr / Bewertung:

    Eins vorweg bzgl. Online-Redaktion......seit ca. einer Woche ist es wieder mal sehr "anstrengend" mit Euch......

    Und bzgl des Artikels, jede Kommune handhabt es anders.
    Dass es auch anders geht, zeigt der "Monitor"-Bericht vom 12.10.2023 über Herbertshausen. Ab Min. 2:54 Und für alle die glauben, das wäre ein Einzelfall der "Monitor"-Bericht 2.11.2023 Titel: "Überforderte Kommunen: Hausgemachte "Migrationskrise"?"

  • FRUSTI13 am 11.11.2023 17:00 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Es kann nicht sein, was nicht sein darf? Die Bürgermeister und Landräte, die am Jammern sind, weil völlig überfordert, tun das ja nur, damit sie auch mal in die Medien bzw. zu Hr. Lanz kommen dürfen!?

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