Streit um Gedenkstätte für Opfer von Neonazi-Terror

In keiner Stadt hat der Rassenhass der Zwickauer Terrorzelle mehr Opfer gefordert als in Nürnberg. Die Stadt bemüht sich nun um ein angemessenes Gedenken.
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Nürnberg: Zwischen südlicher Stadtmauer und der U-Bahnstation Opernhaus wollte die Stadt mit vier Gingko-Bäumen und einer Gedenktafel künftig an die Opfer der Zwickauer Terrorzelle erinnern. Wegen eines Streits über Art und Ort des Gedenkens liegen die Pläne derzeit auf Eis.
dpa Nürnberg: Zwischen südlicher Stadtmauer und der U-Bahnstation Opernhaus wollte die Stadt mit vier Gingko-Bäumen und einer Gedenktafel künftig an die Opfer der Zwickauer Terrorzelle erinnern. Wegen eines Streits über Art und Ort des Gedenkens liegen die Pläne derzeit auf Eis.

In keiner Stadt hat der Rassenhass der Zwickauer Terrorzelle mehr Opfer gefordert als in Nürnberg. Die Stadt bemüht sich nun um ein angemessenes Gedenken – und ist über plötzliche Einwände überrascht.

Nürnberg/Berlin – Es sollte ein Mahnmal sein, „das weit in die Zukunft reicht“. Mit vier Gingko-Bäumen und einer Gedenktafel wollte die Stadt Nürnberg künftig an die Opfer der Zwickauer Terrorzelle erinnern. Schließlich hat keine andere der sieben Städte, in denen die rechtsextreme Organisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zuschlug, so viele Opfer zu beklagen wie Nürnberg. Neben dem Blumenhändler Enver Simsek wurden dort der Änderungsschneider Abdurrahim Özüdogru und der Dönerbudenbesitzer Ismail Yasa ermordet. Nürnberg als „Stadt der Menschenrechte“ sieht sich daher, so betont die Leiterin des städtischen Menschenrechtsbüros, Martina Mittenhuber, besonders in der Pflicht.

Bereits am 9. September – dem 12. Todestag von Enver Simsek - wollte die Stadt die Gedenkstätte eröffnen. Doch daraus wird erst mal nichts. Wegen eines Streits über Art und Ort des Gedenkens liegen die Pläne derzeit auf Eis. Gegenwind erhält die Stadt unter anderem von der Ombudsfrau des Bundestages für die Opfer und Hinterbliebenen der Zwickauer Terrorzelle, Barbara John. Vor allem der Ort der geplanten Gedenkstätte am Südausgang der „Straße der Menschenrechte“ hält John gemessen an „der brutalen Form des Rassismus“ nicht für angemessen: „So was gehört ins Zentrum, wenn man das Bekenntnis ablegen will, dass so was nie weder in der Stadt passieren darf“.

Für John steht daher außer Frage, dass der Nürnberger Hauptmarkt - im Dezember Standort des Christkindlesmarktes – ein würdiger Ort für eine Gedenkstätte wäre. „Ein solches Gedenken gehört an einen zentralen Ort – und nicht dorthin, wo man zufällig vorbeigeht.“ Das ist nach ihrer Einschätzung aber bei dem geplanten Gedenkstätten-Ort zwischen südlicher Stadtmauer und der U-Bahnstation Opernhaus der Fall. Dort sollen nach Vorstellungen der Stadt drei Ginkgo-Bäume an die drei Nürnberger NSU-Opfer, ein vierter an alle Opfer rechtsterroristischer Gewalt erinnern.

Im Nürnberger Rathaus zeigt man sich von den Einwänden überrascht. Dabei räumt Menschenrechtsbüro-Leiterin Mittenhuber gerne ein, dass es nie ganz einfach sei, „ein adäquates und würdiges Gedenken für die Oper solcher Terrortaten zu finden“. Wichtig sei der Stadt aber ein Form des Gedenkens, das auch nachfolgenden Generationen eine Mahnung sei. Bäume, die wachsen und beschützt werden müssten, hielten Nürnberg und viele andere Organisationen in der Stadt für eine ausgesprochen geeignete Form der Erinnerungskultur.

Johns Kritik am Ort der geplanten Gedenkstätte teilt Mittenhuber nicht: „Nürnberg ist eine extrem verdichtete Stadt. Da ist es schwer, einen geeigneten Platz zu finden. Nach langer Suche sind wir auf den Platz am Südende der Straße der Menschenrechte gestoßen. Das finden wir einen sehr passenden Ort.“ Den Hauptmarkt hält die Stadt allein schon aus bautechnischen Gründen für ungeeignet: „Unter dem Hauptmarkt laufen überall Leitungen, da können Sie keinen Baum pflanzen“, gibt Mittenhuber zu bedenken.

Auf der Suche nach einer Lösung setzt die Stadt derweil auf einen Dialog mit den Familien der drei Nürnberger NSU-Opfer. Aber auch der gestalte sich schwierig, weil die Kontakte meist nur über deren Anwälte liefen, heißt es.

Nürnberg ist allerdings nicht die einzige Stadt, in der die Suche nach einem angemessenen Gedenkort für die NSU-Opfer von Debatten überschattet wird. So sah sich Kassel, wo am 6. April 2006 der Internetcafe-Betreiber Halit Yozgat niedergestreckt worden war, im Frühjahr schwer erfüllbaren Forderungen des Vaters des Opfers gegenüber. Der hatten den Wunsch geäußert, die Holländische Straße, an der das Internetcafe lag, nach seinem Sohn zu benennen. Doch die Stadt reagierte zurückhaltend. Schließlich sei die Straße Teil eines alten Verkehrswegs. Diese geschichtlichen Bezüge würden durch die Umbenennung verloren gehen. Inzwischen hat sich der Magistrat darauf verständigt, zumindest einen Platz an der Holländischen Straße nach Halit Yozgat zu benennen.

 

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