Soldaten im Unterricht an Bayerns Schulen? Landtag streitet über neues Bundeswehr-Gesetz
München – Die Abgeordneten des Bayerischen Landtags streiten an diesem Mittwoch über ein geplantes Gesetzesvorhaben, das der Bundeswehr weitgehende Einflussmöglichkeiten auf Schulen und Universitäten im Freistaat geben soll.
Der nun beschlussfähige Entwurf, der zum zweiten Mal im Maximilianeum diskutiert wird, ist umstritten. Es geht um die Frage, ob Deutschlands Armee über Bildungsstätten zu Schülern Kontakt aufbauen darf und wie das Militär künftig dem Verteidigungsauftrag nachkommen kann.
Entwurf sieht Veränderungen vor
"Der Überfall auf die Ukraine und zuletzt die Kämpfe in Israel und Palästina haben die Sicherheitslage grundlegend verändert", heißt es im Gesetzentwurf zur "Förderung der Bundeswehr in Bayern". Um die Armee zu stärken, brauche es zahlreiche Veränderungen – in der Bundeswehr selbst, aber auch in den Bereichen des staatlichen Handels.
Wehrpolitischer CSU-Sprecher Wolfgang Fackler: "Ein bayerischer Beitrag zur Zeitenwende"
Deshalb will die schwarz-orange Koalition, dass Bayern eine Vorreiterrolle einnimmt – obwohl der Bund eigentlich zum großen Teil Hoheit über die Angelegenheiten des Militärs hat.
Für Wolfgang Fackler, wehrpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, ist das Gesetzesvorhaben der "bayerische Beitrag zur Zeitenwende".
Seit der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine 2022 sei viel Zeit vergangen. "Aber bisher noch wenig Wende", sagt der Christsoziale der AZ. Deshalb wollen Freie Wähler und CSU das Ruder selbst in die Hand nehmen.
Was sie vorhaben? Weiterführende Schulen sollen unter anderem mit den Jugendoffizieren der Bundeswehr im Rahmen der politischen Bildung zusammenarbeiten, heißt es im Gesetzentwurf – zur Not auch unter Zwang. Auch Karriereberater der Bundeswehr sollen vor Ort informieren dürfen.
"Interesse der nationalen Sicherheit": Neuen Pläne betreffen auch Hochschulen
Neben Gymnasien, Realschulen und Mittelschulen sind von den geplanten Änderungen ebenso Hochschulen betroffen. Forschungsergebnisse müssten zur Verfügung gestellt werden, "wenn und soweit das Staatsministerium auf Antrag der Bundeswehr feststellt, dass dies im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist."
Im Raum steht auch ein Verbot von sogenannten Zivilklauseln. Bisher durften sich Universitäten durch diese freiwillig selbst einschränken und ihre Forschung dem Militär vorenthalten. Das soll künftig nicht mehr möglich sein. Neben dem Bund müssten Informationen dann auch Nato-Bündnispartnern zur Verfügung gestellt werden.
Petition mit mehr als 1000 Unterschriften wurde bereits abgelehnt – Es droht eine Klage
Diese Pläne sorgen im Freistaat für Unmut. Zusammen mit mehr als 1000 Künstlern, Juristen und Schriftstellern hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Petition ins Leben gerufen. Letzten Donnerstag wurde die Bittschrift allerdings im Verfassungsausschuss des Landtags von allen Fraktionen – außer den Grünen – für erledigt erklärt. Das Anliegen ist damit vom Tisch.
Jetzt erwägt die GEW-Landesvorsitzende Martina Borgendale juristische Schritte, wenn das Gesetz verabschiedet wird. "Ich gehe stark davon aus, dass es eine Klage geben wird, und dann müssen wir abwarten, was der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheidet", sagt sie der AZ.
Der Gewerkschafterin zufolge greifen die Änderungen in die Autonomie der Schulen und Universitäten ein. "Wir setzen auf Freiwilligkeit in Bayern. Schulen und Hochschulen sollen selbst entscheiden."
Borgendale weist in diesem Zusammenhang auf den 1976 beschlossenen "Beutelsbacher Konsens" hin, der die Grundsätze der politischen Bildung festlegt. Demzufolge müssten kontroverse Themen von vielen Seiten erörtert werden. Lehrer dürften Jugendliche außerdem nicht indoktrinieren. Das Ziel sei es, Schüler Inhalte so zu lehren, dass sie sich später selbstständig in den politischen Prozess einbringen können.
Horst Arnold hält Gesetz für nicht anwendbar
Der SPD-Landtagsabgeordnete Horst Arnold kann die Aufregung um das Gesetz nachvollziehen. Die Sorgen teilt der Jurist allerdings nicht. "Dieses Gesetz ist ein kaum anwendbares Galerie-Gesetz", sagt der frühere Richter zur AZ.
Der Entwurf sei in erster Linie zu allgemein verfasst, sodass das Gesetz – auch wenn es kommt – nie angewandt wird. "Wenn ein Fall nationaler Sicherheit vorliegt, dann wird die Bundeswehr sicherlich Besseres zu tun haben, als beim Wissenschaftsminister des Freistaats Bayern zu beantragen, Zugang zu Forschungen haben zu wollen", sagt Arnold.
Trotz der Kritik am Vorhaben der Staatsregierung werde die Bayern-SPD dem Entwurf am Mittwoch zustimmen. Einerseits wolle man dem parteieigenen Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht in den Rücken fallen. Andererseits gebe man der CSU so keinen Raum, Vorwürfe zu erheben.
Für Grünen-Abgeordneten Toni Schuberl ist das Gesetz "verfassungswidrig" und "unnötig"
Dieses Machtspiel will der Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl hingegen nicht mitspielen. Seine Partei will das Vorhaben ablehnen, weil es "unnötig" und "verfassungswidrig" sei. "Dieses Gesetz hilft niemandem", sagt er der AZ.
Das sieht der Landesvorsitzende des knapp 114.000 Mitglieder starken Reservistenverbands, Fabian Forster, anders. "Es ist traurig, dass es ein solches Gesetz überhaupt braucht", teilt Forster der AZ mit.
Reservistenverband kann Kritik am Vorhaben nicht nachvollziehen
Die Vorwürfe der anderen Parteien kann er nicht nachvollziehen. Die Bundeswehr sei keine politische Institution, die Meinungsmache betreibe. Letztlich erfülle das Militär einen Verfassungsauftrag und sei zur Neutralität verpflichtet.
Wichtig ist ihm das Gesetz aus einem entscheidenden Grund: Jugendliche sollen ein sicherheitspolitisches Grundwissen ausbilden. Wenn die Bundeswehr das nicht vermitteln dürfe, dann seien Schüler mit Halbwissen aus dem Internet konfrontiert.
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