Soldaten lassen Kinder Krieg spielen
Beim Tag der offenen Tür in der Kaserne von Bad Reichenhall schießen die Kleinen unter Anleitung auf ein Miniatur-Dorf. Benannt ist es nach einem Ort, der einst unter der Wehrmacht gelitten hat.
Bad Reichenhall - Eine merkwürdige Auffassung von Nachwuchswerbung herrscht offenbar in der Bad Reichenhaller General-Konrad-Kaserne: Am Tag der offenen Tür ließen dort Soldaten Kinder mit Waffenimitaten auf eine Miniaturstadt ballern.
Völlig daneben ist auch der Name, den die Soldaten der Sperrholz-Stadt mit eigens angefertigtem Ortsschild gaben: „Klein-Mitrovica“. Die Stadt Mitrovica existiert tatsächlich, zwar nicht im Kreis Zwickau wie auf dem gebastelten Ortsschild, aber im Kosovo.
Während des Zweiten Weltkriegs waren hier die Vorgänger der Reichenhaller Gebirgsjäger stationiert. Hier wurde ein KZ nach deutschem Vorbild gebaut, in dem Roma interniert wurden. Zudem war Mitrovica Schauplatz von Pogromen und Vertreibungen von Serben und Roma (siehe Kasten unten). Etwa 7500 Besucher kamen zum Tag der offenen Tür in die General-Konrad-Kaserne.
Viele Eltern brachten ihre Kleinen mit – für sie gab es ein eigenes „Kinderprogramm“. Sie durften ferngesteuerte Panzer lenken, sich auf echte setzen und Erinnerungsfotos auf Panzerabwehrwaffen machen lassen. Doch so richtig krachen lassen konnten es die Kleinen rund um „Klein-Mitrovica“. Auf einem Stück Wiese hatten Soldaten viele kleine Häuser aus Sperrholz aufgestellt.
Einige der Mini-Gebäude wiesen Schusslöcher auf, waren zerbombt oder ausgebrannt. Um das Ganze noch realistischer zu gestalten, wurden auch kleine Rauchbomben platziert. Augenzeuge Georg Hunter (22) von dem antifaschistischen Bündnis „Rabatz“: „Die Kinder durften unter ein Tarnnetz krabbeln.
Dort wurden sie dann von zwei Soldaten instruiert, wie sie mit den Waffen umzugehen hatten.“ Hunter: „Ich war schockiert.“ Für seine „Rabatz“-Kollegin Anna Jade sind die Ereignisse beim Tag der offenen Tür ein Skandal: „Die Bundeswehr versucht, schon kleinen Kindern Spaß an Waffen und militärischer Gewalt zu vermitteln.
Mit der Namensgebung ,Mitrovica’ verherrlicht sie im Kinderprogramm Pogrome.“ Auch die Linken im Bundestag finden es „unverantwortlich“, dass „die Bundeswehr kleine Kinder zum Spaß diese Stadt unter Beschuss nehmen lässt“. Zur Wahl des Ortsnamen sagt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestags-Linken: Das „zeugt von schier unglaublicher Geschichtsvergessenheit!“
Am Freitag stellten die Linken zu dem Fall eine Anfrage mit 20 Punkten an die Bundesregierung. Die Bundeswehr reagierte prompt – und leitete eine Untersuchung ein. Presse-Offizier Siegfried Houben zur AZ: „Was auf diesen Bildern zu sehen ist, könnte durchaus gegen unsere Regeln verstoßen haben.“
So dürften Jugendliche unter 18 bei Veranstaltungen der Bundeswehr keinen Kontakt zu Waffen haben. Zur Wahl des Ortsnamen „Klein-Mitrovica“ sagte er nur: „Geschmacklos.“
- Themen:
- Bundeswehr
- Deutscher Bundestag