Söder greift nach der ganzen Macht
München - Noch hat der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer mit keinem Wort Klarheit geschaffen, aber in der Partei ist schon so etwas wie ein inoffizieller Wahlkampf über seine Nachfolge im Gang. Kaum einer geht davon aus, dass sich Seehofer nach dem Verzicht von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den CDU-Vorsitz noch lange halten kann.
Auch für die Christsozialen stellt sich dann die alte CSU-Frage: Doppelspitze oder Alleinherrscher? Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich am kommenden Dienstag vom Landtag in seinem Amt bestätigen lassen will, hätte schon einmal Parteichef werden können. Seehofer hatte ihm in Folge der Turbulenzen nach der verlorenen Bundestagswahl vor einem Jahr diesen Job angeboten, aber Söder – damals noch bayerischer Finanzminister – hatte dankend abgelehnt. Er hatte es auf das Amt des Ministerpräsidenten abgesehen. Immer wieder hatte er seither betont, er sei nicht daran interessiert, auch das Amt des Parteichefs zu übernehmen.
Dabei blieb es bis jetzt. Als der BR am Freitag andeutete, Söder könnte seine Ansicht geändert haben, wurde umgehend berichtigt: Söder habe nicht erklärt, dass er zur Übernahme der CSU-Spitze bereit sei, musste "B5aktuell" im Viertelstundentakt korrigieren. Ungeachtet dessen drängen Anhänger Söder, zuzugreifen. Den Parteivorsitz, so formulierte Ex-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, dürfe sich der Ministerpräsident "nicht nehmen lassen".
Manfred Weber ist Söders schärfster Konkurrent
Andere setzen massiv auf den Parteivize und Vorsitzenden der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber. Er könnte der Partei am besten ein neues europafreundliches und aufgeschlossenes Image verpassen. Doch Weber möchte in der kommenden Woche auch zum Spitzenkandidat der EVP bei der Europawahl gekürt werden. Dann wäre der Weg frei, die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der EU-Kommission anzutreten.
Ein EU-Kommissionspräsident als CSU-Vorsitzender – das können sich viele innerhalb und außerhalb der CSU nicht vorstellen. Auch nicht die bisherige Kommission. Sie gab sich einen "Verhaltenskodex", der eine solche Doppelfunktion ausschließt. Diese Geschäftsordnung hat allerdings keinen Gesetzesrang und könnte von einer neuen Kommission ohne Probleme kassiert werden.
Einer hat was gegen die Konzentration der Posten
Weber selbst jedenfalls scheint sich eine solche Doppelfunktion durchaus vorstellen zu können. Die Wegbereiter dieser Lösung weisen darauf hin, dass dies nur eine Normalisierung der Verhältnisse in den europäischen Institutionen bedeuten würde. So sei es gang und gäbe, dass ein Regierungschef in Europa auch Parteivorsitzender sei. CSU-Außenpolitiker Bernd Posselt, der bis 2014 dem Europaparlament angehörte, hält CSU-Parteivorsitz und EVP-Spitzenkandidatur für "eindeutig vereinbar". Dies gelte auch für das Amt des Kommissionspräsidenten, denn "ein Parteivorsitzender kann auch Chef der bayerischen oder der deutschen Exekutive sein, warum nicht der europäischen?"
Der ehemalige CSU-Fraktionsvorsitzende und Landtagspräsident Alois Glück wartet noch mit einem anderen Pro-Weber-Argument auf. Es wäre ein "schwerer strategischer Fehler", die Bandbreite der CSU damit wieder auf eine Person zu verengen, sagte Glück der AZ.
Söder dürfte dies allerdings anders sehen. Ganz anders.
Hintergrund: Die Ära Seehoofer
Horst Seehofer wurde nach dem Rücktritt von Erwin Huber – als Folge des schlechten Abschneidens der CSU bei der Landtagswahl am 25. Oktober 2008 – auf einem Sonderparteitag mit 90,3 Prozent der Stimmen zum Nachfolger als CSU-Vorsitzender gewählt. Bei erneuten Kandidaturen 2009, 2011, 2013, 2015 und zuletzt im Dezember 2017 auf dem Parteitag in Nürnberg wurde er in seinem Amt bestätigt.
Seehofer ist nach Franz Josef Strauß (1961-1988) und Theo Waigel (1988-1999) dienstältester CSU-Vorsitzender.