„Rasten und Lagern“ im „Spießgesellen“
Wenn die Marketenderin serviert und der Söldner unterhält: Nürnbergs urige Rathausschenke.
NÜRNBERG Hoch die Krüge, wenn Wallensteins Spießgesellen zum Gelage bitten! Auf Fellen lümmeln die Landser im Gewölbe. Marketenderin Anna Hagendorf schenkt Bier um Bier ein. Die hungrigen Gesellen stürzen sich auf überbordende Tabletts, voll mit deftigen Fleischspießen, krossem Brot, Schüsseln mit Gulasch. Annas Ehemann Peter Hagendorf, selbst ein ruppiger Söldner, erzählt den Kameraden von seiner Vergangenheit als friedlicher Müller und Bäcker, berichtet Schreckliches und Heroisches von jüngst gefochtenen Schlachten.
Wir schreiben 2009, nicht 1629. Der Westfälische Friede ist längst geschlossen, Katholische Liga und Protestantische Union vertragen sich leidlich, auch in Nürnberg. Dass sich die Gäste der Hagendorfs nichtsdestotrotz fühlen wie einer Zeitmaschine entstiegen, liegt an den Gastgebern selbst, mit ihren historischen Gewändern, ihrer Ausdrucksweise und dem geschichtlichen Fachwissen. Aber vor allem an der Location des frühneuzeitlichen Gelages: Willkommen im „Spießgesellen“, Nürnbergs wohl urigstem Restaurant. Gelegen im Alten Rathaus (Wolffscher Bau, Südportal) wartet der „Spießgeselle“ mit einem Ambiente auf, das in Nürnberg Seinesgleichen sucht. Hinter den dicken Mauern erschließen sich dem Gast drei Bereiche, die Macherin Alexandra Urban (35), die „Generalissima“ der Schenke, stilecht „Rasten“, „Lagern“ und „Feiern“ getauft hat.
Wo das Geburtstagskind zum Kaiser für einen Tag wird
Gerastet wird im größten Bereich des Spießgesellen – „angedacht für den zwanglosen Aufenthalt“, sagt Urban. Die Nischentische an den Fenstern offenbaren einen herrlichen Blick auf die Sebalduskirche. Hier schmeckt der Mittagstisch, der Kaffee und der Kuchen danach. Es locken fränkische „Regulars“ wie das ofenfrisch-knusprige Spanferkel-Schäuferle, der Fränkischer Sauerbraten, Schweinelendchen mit Gemüseschupfnudeln oder, ganz klassisch, Nürnberger Bratwürste, ob vom Rost oder als „Saure Zipfel“. Für den nicht ganz so großen Hunger bietet sich das „Leichte Marschgepäck“ mit Käse oder Wurst an, bzw. das „Schwere Marschgepäck“, für Gesellschaften „ab 4 Häuptern“. Spezialität des „Spießgesellen“ sind – natürlich – die Spieße, je nach Appetit in „Fuß“- oder „Ellen“-Länge serviert (9,80 bis 16,50 Euro): Vegetarier kommen mit dem Marketenderspieß mit frischem Marktgemüse auf ihre Kosten, Fischfans mit dem Fischerspieß, Fleischfreunde mit dem Hauptmannspieß und dem Besten von Schwein, Rind und Kalb.
Gelagert wird – einmal im Monat regulär, ansonsten nach Anmeldung – im Gewölbe, wo die Hagendorfs ihre Speisen kredenzen und die Gäste unterhalten.
Als Gegenstück zur historisch-korrekten Hausmannskost bietet sich der luxuriöse Festsaal zum „Feiern“ an: Tafelparkett mit Intarsien und geschnitzte Wandverkleidungen, schwere Prunksessel und edles Prunkgeschirr machen jedes Geburtstagskind zum Kaiser für einen Tag – mindestens zum Patrizier!
Steffen Windschall
- Themen:
- Bier