"Österreich hat gezeigt, wohin Schwarz-Grün führt": Habeck wehrt sich gegen Söder-Kritik

Berlin/ Lübeck - Der Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Robert Habeck, hat die Schlüsse der CSU aus dem Scheitern der jüngsten Koalitionsgespräche in Österreich kritisiert. "Das Rezept gegen rechts ist sicherlich nicht, dass man den Rechten hinterherbellt und hinterherläuft, und das sehe ich schon vor allem bei der CSU", sagte Habeck im ZDF-"Morgenmagazin".
CSU-Chef Markus Söder mache gedanklich einen schweren Fehler, wenn er glaube, das Land würde besser regierbar sein, indem man die Positionen der Rechten übernimmt. "Das Maulheldentum, das wir aus Bayern hören, von der CSU hören, ist gerade vor dem Hintergrund dessen, dass in Österreich es nicht möglich war, dass eine Koalition gebildet wurde aus Konservativen, also äquivalent Union und Sozialdemokraten, und einer liberalen Partei – die Grünen waren gar nicht dabei – wirklich fast geschichtsvergessen." Söder habe nicht begriffen, dass immer in der demokratischen Mitte mehr Verbindendes sei als zu den Feinden der Demokratie.
Söder in Seeon: "Österreich hat gezeigt, wohin Schwarz-Grün führt"
Söder hatte am Montag auch mit Blick auf das Nachbarland Österreich alle schwarz-grünen Gedankenspiele abgelehnt. "Österreich hat gezeigt, wohin Schwarz-Grün führt: nur zum extremen Erstarken von anderen Kräften, dort der FPÖ." Deshalb brauche es so dringend einen Politik- und Richtungswechsel - und dafür müsse die Union so stark wie möglich werden. Dabei setze man auf die Mitte, habe aber auch "Mitte-Rechts" im Blick, sagt Söder.
Der bayerische Ministerpräsident hatte sich zuletzt immer wieder gegen eine Koalition mit den Grünen ausgesprochen. Die CSU setzt im Bundestagswahlkampf auf einen harten Kurs in der Migrationspolitik, sowie mehr "Law and Order".
Im September hatte die EU-skeptische und russlandfreundliche FPÖ in Österreich erstmals eine Parlamentswahl gewonnen. Am Montag erhielt sie erstmals einen Regierungsauftrag und könnte erstmals das Kanzleramt übernehmen. Dazwischen versuchte der bisherige Kanzler Karl Nehammer vergeblich, eine Mitte-Regierung zwischen seiner ÖVP, den liberalen Neos und der sozialdemokratischen SPÖ zu schmieden. Die Gespräche waren am Freitag gescheitert. Auch eine Koalition von ÖVP und SPÖ kam nicht zustande.

Bereits zuvor starteten Schlagabtausch zum Wahlkampfauftakt zwischen Grünen und Union. "Friedrich Merz ist extrem gut darin, Probleme zu beschreiben", sagte etwa der Parteivorsitzende Felix Banaszak beim Wahlkampfbeginn der Grünen in Lübeck über den Kanzlerkandidaten der Union. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sei jemand, "der die Probleme in aller Ruhe bestaunt". Der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck hingegen löse sie.
Habeck: Vorgänger-Regierungen für Lage mitverantwortlich
Habeck selbst, in der scheidenden Regierung Vizekanzler und Wirtschaftsminister, kritisierte am Tag des Auftakts der traditionellen Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon "die dummen Sprüche", die man aus Bayern zu hören bekomme und kritisierte die Bilanz früherer CSU-Verkehrsminister. Die aktuellen wirtschaftlichen Probleme gingen auch auf das Konto früherer Regierungen. Wie andere Redner auch warb er für die Grünen als Partei von Verantwortung und Seriosität.

Die Pläne der Union zu Steuersenkungen seien nicht gegenfinanziert, es gebe eine Lücke von 100 Milliarden Euro jährlich - "eine einzige Flunkerkanone, die sie da hingestellt haben", sagte Habeck. Die Grünen wollten Investitionen steuerlich anreizen und Wachstum ankurbeln, das normale Leben müsse wieder bezahlbar werden. Die Grünen wollten auf Alltagssorgen wie steigende Mieten antworten, dass die Mietpreisbremse nicht mehr verlängert worden sei, sei ein "schwerer Fehler".
Bei allen Differenzen müssten sich die Parteien des politischen Zentrums aber bewusst sein, dass sie mehr verbinde als sie von den Feinden der Demokratie trenne. Österreich, wo Koalitionsgespräche zwischen konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos gescheitert waren, führte er als mahnendes Beispiel an. Mit der rechten FPÖ sei der Regierungsauftrag nun an "eine Russland-hörige Partei" gegangen. "Das hätte nicht passieren dürfen und es sollte sich in Deutschland nicht wiederholen."
Baerbock kritisiert Scholz-Reaktion auf Musk
Die Grünen-Bundesaußenministerin, Annalena Baerbock, kritisierte die Reaktion von Scholz auf Verbalattacken des US-Milliardärs Elon Musk. Die Bemerkung von Scholz, man müsse in solchen Fällen cool bleiben, erinnere sie an die Fehleinschätzung "Nord Stream 2 ist auch nur ein wirtschaftliches Projekt". Jeder mache gelegentlich Fehler, sagte Baerbock, "Fehler zweimal zu machen, ist fahrlässig".

Scholz hatte gesagt: "Wir sind es als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit dem 19. Jahrhundert gewohnt, dass reiche Medienunternehmer anderer Meinung sind als die sozialdemokratische Partei. Das ist nichts Neues." Dem Magazin "Stern" sagte er dazu: "Da muss man cool bleiben." Neu sei allerdings die globale Reichweite solcher Unternehmer.

Das deutsche Bildungssystem sei ungerecht, sagte Baerbock mit Blick auf Studien, die zeigen, dass die soziale Herkunft hierzulande ein wichtiger Faktor ist, wenn es um den schulischen Erfolg geht. "Föderalismus kann da keine Ausrede sein", rief sie in den Saal.
"Sie" statt "Du"
Ungewöhnlich für eine Partei, in der das "Du" der Standard ist: Die Redner in Lübeck siezten ihr Publikum, wollten also wohl ausdrücklich nicht nur Parteimitglieder ansprechen. Die Mehrzahl der nach Parteiangaben mehr als 1500 Anwesenden sah sich aber offenbar aufseiten der Grünen und unterbrach die Reden immer wieder mit tosendem Applaus, nur ein kleiner Kreis meldete sich immer wieder mit kritischen Zwischenrufen. Geplant hatten die Grünen nach eigenen Angaben zunächst mit nur 500 bis 600 Teilnehmern.
Den Entwurf ihres Wahlprogramms mit dem Titel "Zusammen wachsen" wollen die Grünen bei einem Sonderparteitag Ende des Monats in Berlin beschließen. Die Bundestagswahl ist am 23. Februar.