Nach Tierquälerei im Unterallgäu: Grüne in Bayern wollen bessere Kontrollen

Immer mehr Fälle von Tierquälerei werden aufgedeckt. Ein besonders schlimmer Fall ereignete sich im Unterallgäu. Die Grünen im Landtag fordern, dass der Freistaat mehr macht. Was hilft?
Heidi Geyer |
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Ein Mann, laut "Soko Tierschutz" Mitarbeiter des Milchviehbetriebes in Bad Grönenbach, tritt einem kranken Kalb gegen den Kopf.
Ein Mann, laut "Soko Tierschutz" Mitarbeiter des Milchviehbetriebes in Bad Grönenbach, tritt einem kranken Kalb gegen den Kopf. © "Soko Tierschutz"

Bad Grönenbach - Ganze 30 Minuten dauert der Zusammenschnitt der Organisation "Soko Tierschutz", der der AZ vorliegt. Es ist ein Video so voller Grausamkeit gegen Tiere, dass es kaum auszuhalten ist. Schläge und Tritte gegen Rinder, Stiche mit Teppichmessern und Eisenstäben, Malträtieren mit Elektroschockern. Ohne ersichtlichen Grund wird einem Tier der Schwanz verdreht.

Unerträgliche Bilder: Tierquälerei in Bad Grönenbach

Auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Bad Grönenbach im Unterallgäu sollen laut "Soko Tierschutz" Tierquälereien in massivem Umfang geschehen sein (AZ berichtete). Gegen den Betrieb waren schon 2019 Vorwürfe wegen Tiermisshandlungen aufgekommen, einen Prozess am Landgericht Memmingen gegen den Betriebsleiter soll es noch geben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wie kann so etwas in Bayern passieren, und das noch zum wiederholten Male, fragen sich die Grünen und die SPD im Landtag. Sie fordern eine Sachverständigenanhörung im Landwirtschaftsausschuss mit dem Ziel, bessere Kontrollmechanismen zu finden.

Zudem haben sich die Grünen in einem offenen Brief an Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (FW) gewandt. Aber wer ist eigentlich zuständig für die Veterinärkontrollen?

Michaela Kaniber (CSU), Landwirtschaftsministerin in Bayern, soll das Amt jetzt auf Bundesebene übernehmen.
Michaela Kaniber (CSU), Landwirtschaftsministerin in Bayern, soll das Amt jetzt auf Bundesebene übernehmen. © Fabian Sommer/dpa

Das Landwirtschaftsministerium sieht sich nicht in der Pflicht und verweist auf das Umweltministerium, mit einem Unterton: "Denn offensichtlich ist den Grünen nicht bekannt, dass in Bayern das Umweltministerium für die Tiergesundheits- und Tierarzneimittelüberwachung sowie den Tierschutz zuständig ist."

Zuständig laut bayerischem Landwirtschaftsministerium: Thorsten Glauber (Freie Wähler), Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz
Zuständig laut bayerischem Landwirtschaftsministerium: Thorsten Glauber (Freie Wähler), Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz © Peter Kneffel/dpa

Insofern gebe es eine klare Aufgabenzuweisung und auch keinen in den Raum gestellten Interessenskonflikt. Aus Sicht von Paul Knoblach, tierschutzpolitischer Sprecher der Grünen, macht es sich das Landwirtschaftsministerium damit zu leicht: "Da gibt es zwei verschiedene Häuser, von verschiedenen Parteien geführt - und jetzt sitzen wir im Sandkasten und bewerfen uns mit Sand und der andere war's!"

Nichts passiert nach Söders Versprechen

Schließlich sei Kaniber ja für die Erzeugung und die Haltung zuständig. Zumal: "Herr Söder hat versprochen, nach der vergangenen Landtagswahl angekündigt, das ganze Veterinärwesen ins Landwirtschaftsministerium zu integrieren." Das sei noch nicht geschehen und man höre dazu auch nichts. Den Grünen ist die bloße Idee zuwider, dass Erzeugung und Kontrolle vermischt werden.

Einige Veterinäre seien zwar "verlegt" worden, von einem Haus ins andere. "Aber das war ein Rohrkrepierer, auf halbem Weg ist man stehengeblieben und wir haben nie wieder etwas gehört", sagt Knoblach der AZ. Er ist selbst Bio-Landwirt, hält aber keine Nutztiere mehr. Und er ist kein Körndl-Grüner, sondern isst noch Fleisch.

"Es gab sehr viele Skandale und ich habe die Sorge, dass es nicht enden wird", sagt der Abgeordnete im Gespräch mit der AZ. Kaum ein Monat vergehe ohne massive Mängel in Betrieben und Schlachthöfen.

Die Grünen fordern einen Tierschutzbeauftragten

Dass die größten Rinderhalter Bayerns mit über 2000 Rindern nun zum wiederholten Male solche Schlagzeilen machen, hat für ihn das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Grünen fordern einen Tierschutzbeauftragten, wie ihn einige Bundesländer und auch der Bund haben. Hätte das im Fall Bad Grönenbach geholfen?

Die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) teilte mit, den Betrieb "intensiv und engmaschig unangekündigt kontrolliert" zu haben. Allein seit Januar 2023 habe die Behörde den Betrieb 24 Mal kontrolliert - ohne gravierende Missstände festzustellen.

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Jedoch laufe ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Betrieb, da bei einer Kontrolle im Sommer 2024 neun Kälber nicht ausreichend mit Wasser versorgt gewesen seien, so die KBLV.

"Es kann aber nicht rund um die Uhr jeder Stall kontrolliert werden"

Bei den Kontrollen wurden offenbar keine Tiere verletzt - nur ein verdeckter Ermittler der "Soko Tierschutz", de facto illegal, deckte die Probleme auf. Weil freilich keine Tiere offen gequält werden, wenn offiziell ein Kontrolleur vom Amt da ist. So begründet es ein Sprecher des Umweltministeriums, nur: "Es kann aber nicht rund um die Uhr jeder Stall kontrolliert werden." Derzeit werde risikoorientiert und anlassbezogen kontrolliert.

Den Veterinären macht Knoblach keinen Vorwurf. Zumal es ohnehin sehr schwer sei, Personal in dem Bereich zu finden angesichts der geringen Bezahlung. Das Umweltministerium verweist darauf, dass der Freistaat insgesamt rund 100 neue Stellen für Amtstierärzte geschaffen habe.

Bemerkenswert ist, dass es keine Nutztierhaltungsverordnung für Milchkühe gibt. Das kritisieren sowohl die "Soko Tierschutz" als auch Knoblach. Dann wären Verfehlungen justiziabel. Derzeit sind es aber nur Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Zudem gibt es laut Knoblach Leitlinien für Milchkühe, die seien aber nicht verbindlich.

Paul Knoblach, tierschutzpolitischer Sprecher der Grünen, hier mit Ilse Aigner im bayerischen Landtag.
Paul Knoblach, tierschutzpolitischer Sprecher der Grünen, hier mit Ilse Aigner im bayerischen Landtag. © Peter Kneffel/dpa

Vor Gericht kommen die Fälle selten. "Laut Strafrechtsprofessor Jens Bülte wird circa alle 50 Jahre mal eine Freiheitsstrafe bei Tierschutz-Verstößen verhängt", sagt Knoblach. bDer Bayerische Bauernverband hält das Strafmaß nicht für den Hebel, um etwas zu verändern. Sondern er fordert Präventionsarbeit, gerade für überforderte Landwirte.

"Viele Bauern erlebt, die es vor dem Suizid noch in die Klinik geschafft haben"

Knoblach betont ebenso, dass er nicht alle Bauern verurteilen will, und erinnert zudem an jene, die völlig überfordert seien: "Ich war fast 40 Jahre lang als Pfleger in Einrichtungen tätig und habe viele Bauern erlebt, die es vor dem Suizid noch in die Klinik geschafft haben." Auch dort müsse man ansetzen und Unterstützung bieten, findet er.

Laut Bauernverband liegt dort die Hauptursache – aber ist das auch in Bad Grönenbach der Fall gewesen? Die AZ hat versucht, den Betrieb zu kontaktieren, jedoch ohne Erfolg. In der "Augsburger Allgemeinen" findet sich ein Artikel über den "Mega-Milchbauer" aus dem Jahr 2011 mit dem Hinweis von heuer, dass nun mehrere Medien über mögliche Verstöße gegen den Tierschutz auf einem Hof in Bad Grönenbach berichten.

"Dem 21-Jährigen, der sich gerade auf die Meisterprüfung vorbereitet, ist nicht anzumerken, wie viel Verantwortung er schon trägt. Sein Vater hat ihm das Stallmanagement anvertraut – für 1300 Kühe." Allein diese Zahl mache vielen in der Branche Angst, heißt es weiter im Text.

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