Museen schlagen Alarm

Eine Ortsbegehung als Schocktherapie: Nürnbergs Kunst-Depots sind in einem beschämendem Zustand. Noch-Generaldirektor Franz Sonnenberger klinkt sich aus der Debatte aus - durch Abwesenheit.
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Plastikfolien als Klimaschutz-Ersatz: Ingrid Bierer (li.) und Ursula Kubach-Reutter vor dem Gemälde-Verschlag in der Kongresshalle.
Klaus Schillinger 2 Plastikfolien als Klimaschutz-Ersatz: Ingrid Bierer (li.) und Ursula Kubach-Reutter vor dem Gemälde-Verschlag in der Kongresshalle.
Schimmel durch Feuchtigkeit: Ursula Kubach-Reutter mit Büro- Stuhl des NS-Oberbürgermeisters Willy Liebel.
Klaus Schillinger 2 Schimmel durch Feuchtigkeit: Ursula Kubach-Reutter mit Büro- Stuhl des NS-Oberbürgermeisters Willy Liebel.

NÜRNBERG - Eine Ortsbegehung als Schocktherapie: Nürnbergs Kunst-Depots sind in einem beschämendem Zustand. Noch-Generaldirektor Franz Sonnenberger klinkt sich aus der Debatte aus - durch Abwesenheit.

Man kann wirklich nicht behaupten, dass die Stadt Nürnberg sorgsam mit ihrem in den Museen gehorteten Kunst- und Kulturgut, das immerhin einen Schätzwert von 500 Millionen Euro hat, umgeht. Die Depots sind Bunker, Stadttürme und Nazi-Ruinen und naturgemäß alles andere als ideal zur Aufbewahrung. Beim Ortstermin im ehemaligen „Quelle“-Lager in der Kongresshalle und einer Stahlbeton-Requisite des Kalten Krieges in der Nordstadt forderten Ingrid Bierer, Verwaltungschefin der Städtischen Museen, und Ursula Kubach-Reutter, die Ein-Frau-Abteilung für Kunst und Gemälde, „Verbesserung der Verhältnisse vor Ort“ und Ersatzquartiere. Und konnten auf Schocktherapie vertrauen: Kulturpolitiker von CSU und SPD forderten nach einer Tour durch die Depots vor kurzem „konsequentes Handeln“.

Fledermäuse, Motten und Holzwürmer zählen zu den Gästen

Möglicherweise wären die Depots der Städtischen Museen ja reif für ein Öko-Siegel: Fledermäuse, Motten und Holzwürmer zählen zu den Gästen, erzählt Ursula Kubach-Reutter. Gewollt sind sie weiß Gott nicht, ebenso wenig wie Schimmel und Flugrost. Der Zufall ersetzte bei der Stadt seit dem Kriegsende die Archivierung des Erbes. Bis 1974 lagerten die Kunstschätze in den feuchten Felsengängen unter der Burg. Dass ein Teil der Kunst zum „Bürobild“ in Amtsstuben degradiert wurde, hat den Zustand ebenso wenig befördert wie kontinuierlicher Platzmangel: Als die Säulenhalle im Doku-Zentrum realisiert wurde, mussten die dort deponierten Objekte des Museums Industriekultur nebenan ins marode „Quelle“-Quartier weichen. Als die Meistersingerhalle asbestsaniert wurde, lagerte man 2007 großformatige Bilder, die nicht durch die Schleusentüre des (voll gestapelten) Gemäldebunkers gehen, auch dorthin aus: Schäden wie an Georg Christoph Müllers Königsbild von Max I., das in die „Nische 1“ abgeschoben wurde, lassen sich schon jetzt problemlos überprüfen: Styropor als Abstandshalter löste sich im Ölbild auf.

Ingrid Bierer – Noch-Generaldirektor Franz Sonnenberger klinkt sich durch Abwesenheit demonstrativ aus dieser dringlichen Debatte aus – fordert gerade fürs Kongresshallen-Depot Sofortmaßnahmen noch in diesem Jahr: eine Be- und Entlüftung gegen die verheerende Luftfeuchtigkeit. Klar ist für sie auch: Ein Zentraldepot für mehrere Hunderttausend Exponate muss her (am besten auf die Brachfläche hinter der Tafelhalle), samt Aufzug, Arbeitsräumen, Quarantäneschleuse und verschiedenen Klimazonen für Holzskulpturen, Textilien und Papierarbeiten. Kosten: 7 bis 9 Millionen Euro. München, erwähnt Bierer beiläufig, plant gerade eines mit 10.000 m2. Und auch einen Restaurator haben die Museen bislang nicht. Da gibt’s viel zu reden am 24. Oktober, wenn die Mängelliste im Stadtrat diskutiert wird.

Andreas Radlmaier

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