Mann ohne Maske
NÜRNBERG - Einst war der Aggro-Rapper Sido auf Krawall gebürstet. Sein neues Album markiert einen Neuanfang. In zwei Wochen kommt er nach Nürnberg.
Als Mann mit der silbern glänzenden Totenkopfmaske wurde der Ostberliner berühmt und berüchtigt. Mit indizierten Phantasien und knallharten Ohnmachtsgefühlen. Ein Hitlieferant, der als Aufstachler oder Abstumpfer geliebt und gehasst wird — ein Protagonist der zweifelhaften Aggro-Rapper. Mit dem vierten Album „Aggro Berlin“, seinem musikalischen Neuanfang beim Major-Label Universal, ist er nun endgültig aus dem sozialen Underground aufgetaucht — auch optisch. Am 23. November kommt Sido mit „Aggro Berlin“ in den Nürnberger Löwensaal.
AZ: Mit dem Album haben Sie ihre musikalische Bandbreite drastisch erweitert. Ein Neustart?
SIDO: Ja, für mich wurde es auch Zeit. Lieder wie der „Arschficksong“ haben meinem früheren Leben entsprochen. Ich hab damals in einer Wohnung auf dem dritten Hinterhof gelebt. Damals war mir mein Leben scheißegal. Ich hätte morgen tot sein können und es hätte außer meiner Mutter niemanden interessiert. Jetzt interessiert es mich selber, morgen nicht tot zu sein. Mittlerweile bin ich krankenversichert, habe einen Ausweis, kann reisen und habe meinen Sohn wieder, den ich vier Jahre nicht gesehen habe. Das alles möchte ich nicht verlieren. Meine Musik hat sich mit mir verändert.
Ihre neuen Texte sind an vielen Stellen richtig optimistisch. Spiegelt das Ihr jetziges Leben?
Ich hab diesen Kampf nicht mehr, ich bin da, wo ich hin wollte. Mit dem Optimistischen halte ich mich auch selber hoch. Aggro Berlin war acht Jahre lang ein schönes, gemachtes Nest. Der Bruch mit Aggro und dieser ganzen Zeit, das ist ein Neuanfang. Und jeder Neuanfang birgt ein Risiko. Vielleicht funktioniert mein Album mit Universal nicht und das nächste macht keiner mehr, weil dieses floppt. Kann alles passieren. Optimismus ist meine Art, mit den Dingen umzugehen.
Der Kabarettist Kurt Krömer hat hinreißende Sketche beigesteuert. Wie kam's dazu?
Ich mag ihn – und ich nehme mal an, dass er mich auch mag, obwohl er mir das noch nie gesagt hat. Auf jeden Fall bin ich mehr beeindruckt von seiner Kunst als er von meiner. Ich finde es großartig, dass er auf meinem Album ist und glaube, dass es durch ihn noch um einiges aufgewertet wird.
Vor der Bundestagswahl haben Sie für eine TV-Sendung mit prominenten Politikern gesprochen. Wie zufrieden sind sie denn mit dem Wahlausgang?
Ich müsste damit eigentlich sehr zufrieden sein, weil es so meinem Konto am besten geht. Aber: Ich bin der einzige in meinem Freundeskreis, dem es so gut geht. Ich musste für eine starke Opposition wählen gehen. Im Bundestag kommt das Geschrei immer von da, wo die Linken sitzen. Mir ist erstmal Latte, ob das Sinn macht, was da einer schreit. Ich will, dass da überhaupt einer aufsteht und schreit. Deshalb hab ich die Linken gewählt.
Was steht nach der Tour an?
Wir machen einen Film, bei dem ich das Drehbuch mitgeschrieben habe und die Hauptrolle spielen werde. Eine Geschichte aus dem Märkischen Viertel. Im Moment casten wir, im April sollen die Dreharbeiten beginnen. Und im nächsten Jahr wird es ein MTV-Unplugged geben. Das ist eine große Ehre für jeden Musiker.
Interview: Tamara Bartlitz
- Themen:
- Deutscher Bundestag
- Sido
- Bundestagswahl