LGL-Berechnungen: FDP fordert Konsequenzen
Die Landtags-FDP wirft der Staatsregierung und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eine Täuschung der Öffentlichkeit mit verzerrten Corona-Zahlen vor und fordert personelle Konsequenzen. "Persönlichkeiten in führenden Ämtern, die die Bürger täuschen, sind nicht länger tragbar", sagte FDP-Fraktionschef Martin Hagen gestern.
Die Politik habe Maßnahmen auf einer "völlig unzureichenden Datenbasis" beschlossen. Zu klären sei nun, wer dafür verantwortlich sei und wer alles davon gewusst habe.
Zahlenbasis für Inzidenzwerte ist fraglich
Am Wochenende war bekannt geworden, dass die vom LGL herausgegebenen Zahlen der Inzidenzen für Geimpfte und Ungeimpfte auf einer höchst fraglichen Zahlenbasis beruhen. Wenn der Impfstatus einer infizierten Person zunächst unbekannt war, wurde diese einfach als "ungeimpft" bewertet.
Auf diese Weise kamen Sieben-Tage-Werte von zuletzt rund 1500 für Ungeimpfte und 110 für Geimpfte zustande. In der Mehrzahl der Infektionsfälle, die dem LGL übermittelt wurden, war der Impfstatus der betreffenden Person unbekannt.
Bayerns Zahlen sind im Vergleich enorm hoch
Vergleichszahlen aus anderen Bundesländern wie auch des Robert-Koch-Instituts zeigten, dass die Zahl der infizierten Ungeimpften nur 2,5- bis dreimal so hoch sei wie die der Geimpften, sagte Hagen. Nur in Bayern behaupte man, dass dieser Faktor bei 15 liege. Dieser offensichtlich "verzerrten" Zahlen habe sich auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mehrfach bedient, zuletzt in einer Regierungserklärung.
Die Einlassung von LGL-Präsident Walter Jonas vom Wochenende, das Vorgehen seiner Behörde sei gerechtfertigt, weil die Zahl der ungeimpften Infizierten erfahrungsgemäß die der geimpften Infizierten "weit überwiege", hat das Misstrauen der Liberalen eher noch gesteigert.
Es wurde eine trügerische Sicherheit vermittelt
Selbst wenn man annehme, dass "weit überwiegend" ein Zahlenverhältnis von lediglich 60 zu 40 beschreibe, so sei die wahre Sieben-Tage-Inzidenz bei den Geimpften im Freistaat doppelt so hoch als bisher behauptet, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Matthias Fischbach. Man habe die Geimpften ein Gefühl trügerischer Sicherheit vermittelt.
Die Liberalen sehen in den Zahlenspielen des LGL einen handfesten politischen Skandal, dem sie zunächst mit einem halben Dutzend Parlamentsanfragen auf den Grund gehen wollen. Unter anderem wollen sie erfahren, wer im LGL, im Gesundheitsministerium und in der Regierungszentrale vom eigenwilligen Umgang mit Infektionszahlen wusste.
CSU-Generalsekretär weist Kritik zurück
Immerhin sah sich CSU-Generalsekretär Markus Blume bereits zu einer Replik veranlasst. "FDP bedeutet ,Fehleinschätzung der Pandemie'", sagte er. Der FDP sei offensichtlich jedes Mittel recht, um von ihren Fehleinschätzungen abzulenken. Zur Sache erklärte der CSU-General: "Es steht doch völlig außer Frage, dass die Inzidenz bei Ungeimpften um ein Vielfaches höher ist als bei Geimpften."
LGL-Präsident Jonas bekräftigte gestern, dass man mit der praktizierten Methode, die Personen mit unbekannten Impfstatus zu den Ungeimpften zu rechnen, zunächst sehr nahe an der Wirklichkeit gelegen habe. Inzwischen habe jedoch das stark verzögerte Meldeverfahren der Gesundheitsämter dazu geführt, dass die vom LGL angewandten Parameter "grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen" seien.
Auch Klaus Holetschek zeigt sich empört über Vorwürfe
Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wies den Vorwurf der Täuschung zurück und attackierte die FDP. Er hoffe nicht, dass sich die Liberalen von Impfgegnern instrumentalisieren lasse.
Die Kritik an den Inzidenz-Angaben in Bayern sei kein Argument gegen Impfungen, so Parlamentsgeschäftsführer Fischbach. Allerdings stellt sich nach Ansicht Hagens die Frage, ob "ein ungetesteter Geimpfter tatsächlich ungefährlicher ist als ein getesteter Ungeimpfter".
Hagen fordert Aussetzung der 2G-Regel im Handel
Auch wäre bei richtiger Einordnung der Zahlen eine "allgemeine Impfpflicht schwer zu begründen". Die für den Einzelhandel ab morgen geltende 2G-Regel sollte Hagen zufolge "ausgesetzt" werden.