Weinlese in Landshut: Wer braucht schon Südlage?
Landshut - Einen trinkbaren Tropfen aus Weintrauben zu gewinnen, sei nicht die hohe Kunst, sagt Wilhelm Maurer (78). Einen passablen Weißwein aus selbst angebauten Früchten aus dem heimischen Garten mitten im niederbayerischen Landshut herzustellen, vielleicht schon eher.
Der Federweiße, den er seit einigen Tagen aus seinen Fässern zapfen kann, schmeckt bereits herrlich süß, auch wenn Maurer sagt, dass wegen des unbeständigen Wetters seine Trauben in diesem Jahr zu wenig Sonne abbekommen haben.

Maurer bedient sich auch an den Reben von der Stadttheater-Fassade
Der Hobbygärtner genießt den leicht alkoholischen Saft, der sich im weiteren Gärprozess noch in Wein wandeln wird, trotzdem. Und wenn er dann das Glas erhebt, prostet er auf noch viele Jahre Gesundheit.
Die Traubenernte, die er im Spätsommer mit Bekannten und Familienmitgliedern in seinem Garten an der Bachstraße einsammeln konnte, habe auch dieses Jahr wieder ausgereicht, um nach dem Gärprozess das ein oder andere Fläschchen in seiner Garage abfüllen zu können. Zwei Tage habe die Lese gedauert.

Einen weiteren Teil der Trauben, die er für seinen original Landshuter Weißwein verwendet, hat Maurer von den Reben gepflückt, die sich an der Fassade des Stadttheaters emporranken. Den Wein hatte der ehemalige Hausmeister des Theaters vor rund 30 Jahren gepflanzt. "Den braucht ja dort sonst niemand."
Vor dem Winter graut es Maurer bereits ein bisschen
Ohne die prallen Trauben an den Rebstöcken sieht Maurers Garten nun ungewohnt kahl aus. Die Blätter an den Weinstöcken färben sich braun. Leuchtend gelb und orangefarben zeigen sich indes die Kürbisse, die er als herbstliches Dekor vor seiner Hauseingangstür aufgereiht hat. "Man weiß nicht, welches Blatt als Nächstes zu Boden fällt", sagt der umtriebige Hobbygärtner mit Blick auf die Rebstöcke. "Aber so ist auch das menschliche Leben."

Vor dem Winter graut es dem gelernten Schreiner bereits ein bisschen. Dann beginnt in seinem Garten für ihn die staade Zeit. "Arbeit macht das Leben süß", ist sich Maurer sicher. So süß wie die kleinen Kiwis, die einen weiteren Teil seiner Ernte im heimischen Garten ausmachen.
Unsere Redaktion hatte Maurer bereits im Sommer im Rahmen der AZ-Serie "Mein Garten" besucht, und seinen mit Trauben behangenen Obstgarten vorgestellt, der fast rund um sein Haus verläuft.

Doch die Trauben - und das bringt der Spätsommer so mit sich - waren reif für die Ernte. Dann beginnt für Maurer noch einmal eine der spannendsten Zeiten des Jahres: Er holt dann seine Obstpresse aus dem Schuppen, die er über ein Zeitungsinserat ergattern konnte, und bereitet die Garage für die Weinherstellung vor.
"Dieses Jahr musste ich für den Gärprozess etwas mehr Zucker hinzugeben"
Maurer ist nämlich nicht nur ein Kenner, wenn es um das selten gewordene Handwerk der Veredelung von Reben und Obstbäumen geht, der 78-Jährige gehört sicher auch zu den wenigen in Landshut, die aus ihrem eigenen Anbau vor der Haustür Weißwein zum Selbstgenuss herstellen.
Aus je einem Kilo Trauben gewinnt er dann durch das Rebeln und Pressen der Trauben etwa einen viertel Liter Saft. "Dieses Jahr musste ich für den Gärprozess etwas mehr Zucker hinzugeben als sonst", sagt er zur Fruchtsüße der Trauben. "Sie hatten einfach nicht ganz die gewünschte Stärke." Auch die Fässer seien dieses Jahr kleiner geworden.
Maurer: "Wir leben im Paradies. Jeder hat viel zu viel von allem"
Doch der Landshuter Federweiße, an dem er am Montagnachmittag vorsichtig nippt, ist süß genug. Zu süß, um den Gärprozess für den Wein schon zu stoppen. "Wein muss immer Geschmack haben. Es ist zwar mein Wein, aber wenn der nicht schmeckt, kann man ihn ja nicht trinken", sagt er.
Maurers Eltern und Großeltern hatten bereits früher Wein in seiner alten Heimat Siebenbürgen (Rumänien) hergestellt, um ihn als Tauschware gegen andere Lebensmittel anzubieten. "Man konnte damals ja nichts kaufen. Nicht mal Bier", erinnert er sich. Heutzutage sei das natürlich anders. "Wir leben im Paradies. Jeder hat viel zu viel von allem."
Bevor es richtig Winter wird und sein Garten vielleicht dann zugeschneit ist, will Maurer die Zeit noch ausnutzen, um Zwetschgen- und Kirschbäume zu schneiden. "Steinobst, das kann man jetzt schon machen", sagt er.
Sorgen vor der Zeit, sich einmal nicht mehr um seinen Garten kümmern zu können, hat der 78-Jährige nicht. "Ich mache das, so lange ich kann. Es ist eine Freude." Bis dahin will er sein Wissen über Gärten, die Veredelung von Obstbäumen und Reben weitergeben.
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