Rudi Napholtz: "Der Leerstand macht Probleme"

Im zweiten Teil des AZ-Interviews spricht Altbau-Sanierer Rudi Napholtz über Denkmalschutz-Verstöße – und was alte Häuser nachhaltig gefährdet.
Christoph Reich |
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Ein akribischer Denkmalerhalter: Rudi Napholtz hat auch die Ussar-Villa mit viel Liebe zum Detail saniert.
Christine Vinçon/AZ Ein akribischer Denkmalerhalter: Rudi Napholtz hat auch die Ussar-Villa mit viel Liebe zum Detail saniert.

Landshut - Rudi Napholtz (43) ist eigentlich Raumausstatter, hat aber eine Passion für alte Häuser, die er nach Richtlinien des Denkmalschutzes saniert.

AZ: Herr Napholtz, Sie stammen aus Rumänien. Hatten Sie schon dort etwas für alte Bauten übrig?
RUDI NAPHOLTZ: Ich bin in Satu Mare geboren. Meine Heimatstadt ist, genauso wie Landshut, 800 Jahre alt. Es gibt dort auch wunderschöne alte Häuser, die ich aber als Jugendlicher nicht wirklich wahrgenommen habe. Erst als ich kürzlich dort im Urlaub war, habe ich sie bewusst betrachtet und an ihnen sehr viele schöne Verzierungen und kleine Skulpturen wie Engelsköpfe und Drachen entdeckt. Ich kann jetzt darüber nur spekulieren, ob mich dieses Umfeld, in dem ich meine Kindheit und Jugend verbracht habe, für meine spätere Passion geprägt hat.

Wenn Sie andere Städte besuchen, sehen Sie sich diese Orte aus dem Blickwinkel eines Häusersanierers an?
Das kann ich jetzt gar nicht mehr anders. Ich erinnere mich: Wir sanierten am Isargestade gerade das alte Finanzamt und waren auf der Suche nach alten Türen. An einem verlängerten Wochenende in Rom habe ich dann etwa 350 Türen fotografiert, aber auch viele Kanaldeckel.

Warum Kanaldeckel?
Die haben mich fasziniert. Die muss man sich in Rom genauer anschauen: Kanaldeckel mit Sonnenmustern, Gesichtern und jeder Menge Wappen.

Und was war mit den Türen? Haben Sie am Isargestade Türen nach römischem Muster eingebaut?
Naja, ich hatte vier Zeichnungen aufgrund der Fotos angefertigt und dem Landesamt für Denkmalpflege präsentiert. Sie wurden leider nicht genehmigt. Allerdings hat mir die Behörde schöne Alternativen vorgeschlagen.

Wenn jemand jetzt ein altes Haus hätte, das saniert werden müsste, was würden Sie ihm raten?
Ich finde es immer ganz wichtig, dass der Kunde sagt, was er mit dem Haus machen möchte. Will er es selbst beziehen oder vermieten? Soll das Haus energetisch saniert werden? Was ist wichtig: Fenster, Türen, Fassade? Und dann findet man für jeden Kunden eine Lösung, die auf ihn zugeschnitten ist. Es ist natürlich auch eine Frage des Budgets.

Wie reagieren Sie, wenn der Kunde sich nicht an den Denkmalschutz halten möchte?
Wenn ein Kunde zum Beispiel unbedingt einen Durchbruch für eine Türe an einer Wand aus dem 17. Jahrhundert durchführen möchte, dann werde ich Alternativen dazu vorschlagen. Und wenn der Kunde damit nicht einverstanden ist, dann werde ich das Projekt nicht annehmen.

Aber der Kunde darf doch ohnehin nicht alles machen, wenn er ein denkmalgeschütztes Haus besitzt?
Der Kunde kann leider fast alles machen. Wer sich darüber hinwegsetzt, wird zwar gerügt, aber richtige Konsequenzen gibt es nicht. Er darf dann nur nicht erwarten, dass er das, was er gemacht hat, auch noch steuerlich abschreiben kann.

Gibt es Häuser, die so stark beschädigt sind, dass sie nicht mehr sanierungsfähig sind?
Die gibt es immer wieder – auch in Landshut. Der Grund dafür ist, dass diese Häuser über Jahrzehnte leer gelassen worden sind.

Was passiert mit diesen Häusern?
Diese verlassenen Häuser kühlen aus, und in die Wände zieht Feuchtigkeit ein. Und wenn so ein Haus dann zehn Jahre lang leer gestanden ist, gibt es nach einer Sanierung große Probleme. Denn beim sukzessiven Austrocknen des Gebäudes trocknen auch die alten Stuckdecken oder Balken so stark aus, dass sie Jahre später auseinandergehen und irreparable Schäden am Haus anrichten.

Könnten Sie sich vorstellen, in einem Neubau zu wohnen?
Ja, das kann ich mir sehr wohl vorstellen. Bis dato habe ich aber noch kein neues Haus gebaut, weil ich mir das nicht zugetraut habe. Bei einem Neubau scheint alles möglich, alles grenzenlos zu sein. Bei einem alten Haus bekomme ich aber meine Grenzen gesetzt. Dort finde ich eine Struktur vor, die mir hilft, meine Pläne umzusetzen. Das heißt aber nicht, dass ich bei denkmalgeschützten Häusern auf modernen Komfort verzichten muss.

"Ich hatte Lust, Neues zu entdecken und zu erleben"

Sie sind mit 16 Jahren nach Deutschland gekommen. Welche Erwartungen hatten Sie damals?
In Rumänien lebte ich in einem zehnstöckigen Wohnhaus mit 82 Parteien. Es war eine schöne, behütete Kindheit, in der ich viele Freunde hatte. Als ich mit meinen Eltern nach Landshut kam, war hier alles neu für mich: bunte Werbung, viele verschiedene Automarken und das Farbfernsehen. Ich hatte Lust, Neues zu entdecken und zu erleben. Doch ich vermisste auch meine alte Heimat und vor allem meine Freunde. Ich weiß es noch sehr genau, dass ich viele Nächte abends gebetet habe: Lieber Gott, schenk mir wieder Freunde. Das war mein sehnlichster Wunsch. Es war eine harte Zeit, bis ich die ersten Kontakte knüpfen konnte.

Wie haben Sie in Landshut schließlich neue Freunde gefunden?
Meine große Leidenschaft ist das Tanzen, am liebsten mag ich lateinamerikanische Tänze. Und so habe ich durch die Tanzschule Peterhansel auch neue Freundschaften schließen können.

Wie würden Sie die Bayern beschreiben?
Die Bayern sind an sich etwas zurückhaltende Menschen. Es kann eine Weile dauern, bis sie einen mögen. Deshalb muss man sich erst beweisen, bis sie einem Respekt oder Anerkennung zollen. Aber sie sind auch ehrlich und sagen ihre Meinung gerade heraus.

Und wie ist der Landshuter?
Der Landshuter ist sehr eigen, aber ich zähle mich mittlerweile auch zu ihnen. Es gibt viele sogenannte Alphatiere in der Stadt. Aber auch viele Menschen, die herzlich und aufgeschlossen sind – das dauert allerdings eine Weile. Da muss man schon selber die Initiative ergreifen, damit sie einen ein wenig besser kennenlernen und annehmen.

Was gibt es in unserer Stadt, das Ihnen nicht so gut gefällt?
Die einzige Kritik: Das städtische Marketing könnte man verbessern.

Was sollte man verbessern?
Um etwas zu verbessern, bräuchte man ein eigenes Budget, um ein Konzept zu entwickeln, das Hand und Fuß hat. Ich gebe Ihnen nur ein kleines Beispiel: Ich wollte letztes Jahr zu Silvester tanzen gehen in Landshut. Doch im Internet habe ich keine Veranstaltung mit Tanzmusik gefunden. Das fand ich nicht gut. Vor allem Fremde haben es schwer, die sich in der Stadt nicht auskennen. Da könnte man eine App entwickeln, mit deren Hilfe zum Beispiel alle Veranstaltungen des Tages abrufbar sind. So könnte auch jemand, der noch fremd in der Stadt ist, schnell Anschluss finden. Unsere Stadt ist zwar wunderschön, aber ich würde mich als Verantwortlicher deshalb nicht darauf verlassen und mich ausruhen, sondern mich fragen: Wie machen wir unsere Stadt zukunftsfähig?

Hier finden Sie den ersten Teil des AZ-Interviews mit Rudi Napholtz

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