Konkurrenz fürs Oktoberfest in München? Die Allgäuer Festwoche mausert sich zum Wiesn-Ersatz
Kempten - Kempten Hauptbahnhof, 10.41 Uhr, Regionalexpress 70 fährt auf Gleis drei ein. Er kommt direkt aus München und ist voll bis auf den letzten Klappsitz im Fahrradabteil.
Die meisten Passagiere haben ein Ziel: die Allgäuer Festwoche. "Die soll ja so sein wie die kleine Wiesn", meint ein Reisender, "des mag ich mir mal anschauen". "Schau mer mal Festwoche" – das sagen sich immer mehr Besucher von auswärts. Aus der Schweiz, aus Württemberg und seit Corona vor allem aus München und dem westlichen Oberbayern kommen sie jetzt zur "fünften Jahreszeit" der Allgäuer.
Viele Münchner kommen auch mit dem Auto ins Allgäu gefahren
Sie kommen nicht nur mit dem 49-Euro-Ticket in die Allgäu-Metropole mit der etwas anderen Fest-und-Feier-Melange aus Heimatfest, Verbrauchermesse und Party machen.
Entdeckte man vor drei, vier Jahren das Autokennzeichen "M" im Allgäu nur mit der Lupe, sind jetzt gefühlt 30 Prozent aller auf der B12 oder der A96 Richtung Kempten fahrenden Pkw mit dem Kürzel der Landeshauptstadt unterwegs. Dazu noch "FFB", "ED", "EBE" oder "STA", deren Häufigkeit seit dem vergangenen Wochenende signifikant zugenommen hat.
In Kempten ist die Maß rund vier Euro günstiger als auf der Wiesn
"Wir haben gehört, dass es auf der Festwoche noch ein bisserl günstiger ist zum Feiern," erklärt eine Gruppe junger Trachtenträger auf ihrem Fußweg Richtung Festgelände. Auf dem Oktoberfest wird die Maß Bier an die 15 Euro kosten, im Kemptener Festzelt kann sich der Durstige den Liter Hopfen-Kaltschale für 11,10 Euro in die Kehle schütten. Fast vier Euro billiger, das ist ein Angebot.
Das Hendl unter zwölf Euro, Ente, Haxe, Krustenbraten – gibt's hier alles noch für unter 20 Euro: "Unglaublich!", staunt ein Mann aus Pasing. Ein echter "Allgäuer" (Burger mit Schinken, Bergkäse und Kartoffelsalat) geht für 12,90 Euro über den Tresen.
Münchner von Allgäuer Festwoche begeistert: "Hier findest du einfach alles!"
Der Pasinger samt Begleiterin möchte aber nicht nur trinken und essen: "Wir finden das Angebot an unterschiedlichsten Ausstellern sehr interessant, vom Gemüseschäler über den Radlclub und die bei uns völlig unbekannten Allgäuer Bierbrauereien bis hin zu kompetenten Tipps für eine neue Heizung – hier findest du einfach alles!"
Diese Mischung wird offenbar goutiert und nicht als beliebiges Sammelsurium abgetan. Als Besucher aus dem Münchner Raum ist man mit dem Zug in anderthalb Stunden in Kempten – und mit dem Auto kaum länger. "Die Kässpatzn sollen hier so gut sein", weiß eine Dame mit unverkennbar oberbayerischem Zungenschlag. Für sieben Euro gibt's eine große Schale Spatzn zum Sattwerden. "Und die ist sogar wiederverwertbar", freut sich die Oberbayerin.
Abenteuerliches Getränk auf der Festwoche: die "Vierspurige"
Die jungen Trachtenträger aus der Landeshauptstadt freuen sich auch: "Die Zelte san ned so riesig wia in Minga, ois is gmiatlicha, s gibt weniger Schickimickis und d'Musi is aa guad."
Das mit hohen Bäumen schön schattige Festgelände ist übersichtlich, man trifft sich leicht wieder. Um zum Beispiel etwas für Münchner ziemlich Exotisches zu probieren: die "Vierspurige". Ein wildes Getränkemischmasch aus Weiß-und Rotwein, aufgefüllt mit Limo und Mineralwasser, das als "Kultgetränk der Kemptener Festwoche" angepriesen wird.
"Ah geh weida", sagt einer aus der Gruppe, "des gibt's doch ned!". "Des haben wir schon als Studenten gern getrunken", gibt der Schankkellner am Weinstand bekannt. Beim ihm heißt der Trank "Vierschmeckige" und kostet 6,50 Euro die Halbe. Und siehe da: Je später der Abend, desto "vierspuriger oder vierschmeckiger" wird der Getränkekonsum.
Anders als auf dem Oktoberfest: Für die Festwoche muss man Eintritt zahlen
Da ist der Unmut über den Eintrittspreis (7 Euro, ab 16 Uhr 5 Euro) zur "fünften Jahreszeit" schnell verraucht: Immerhin gibt's dafür ein ordentliches Bühnenprogramm, sagt der Mann aus Pasing. "So was haben wir auf der Wiesn nicht." Wer noch vorbeischauen möchte, sollte sich beeilen: Die Festwoche läuft nur noch bis zum heutigen Sonntag.
Nach ausgiebigem Abtanzen und Mitgrölen in der Alphüttenimitation an der Kemptener Königstraße geht's wieder "hoam". Um 22.18 Uhr verlässt der RE7 Kempten Richtung München.
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