"Kein Ersatzkonzept": Neues Mega-Chaos auf beliebter Bahnstrecke vor München bahnt sich an

Für mehrere Wochen bleibt die Bahnstrecke von Giesing bis Holzkirchen noch gesperrt. Kurz darauf strapaziert bereits die nächste Sperrung die Nerven der Fahrgäste. Doch bisher informiert die Bayerische Regionalbahn (BRB) dazu noch nicht – obwohl die Verantwortlichen seit Wochen Bescheid wissen.
Alexander Spöri
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Am Bahnhof Tegernsee sind nach dem Seefest bereits letztes Jahr zahlreiche Münchner über Nacht gestrandet. Auch heuer könnte es erneut chaotisch werden.
Am Bahnhof Tegernsee sind nach dem Seefest bereits letztes Jahr zahlreiche Münchner über Nacht gestrandet. Auch heuer könnte es erneut chaotisch werden. © Wolfgang Maria Weber/imago

Lamborghinis, Porsches und BMWs schieben sich Stoßstange an Stoßstange über die Bundesstraße 318 zwischen Holzkirchen und Warngau. Hin und wieder summt eine Vespa vorbei. Am Steuer sitzen Ausflügler und Feierlustige Richtung Tegernsee, denen eine Mischung aus geodeltem Acker und Benzin in die Nase zieht.

Diejenigen, die kurz vor der Kreuzung mit der B472 nicht längst auf den Schleichweg über Schaftlach abgebogen sind, stehen im Stau – und haben gezwungenermaßen Zeit, das Kulturprogramm der Gemeinden am Tegernsee gründlich zu studieren. 

Jedes Wochenende ist es das gleiche Bild – zumindest, wenn die Sonne scheint: Ab Gmund am Tegernsee brauchen Autofahrer Geduld.
Jedes Wochenende ist es das gleiche Bild – zumindest, wenn die Sonne scheint: Ab Gmund am Tegernsee brauchen Autofahrer Geduld. © Wolfgang Maria Weber/imago

Groß ausgehängt ist es nach der Horror-Kreuzung vor Dürnbach: Sommerkonzerte unter dem Namen "wiesseerocks“ am Westufer, Waldfeste im Norden sowie Süden – und bald starten erneut die beliebten Seefeste in Rottach-Egern (8. Juli) und der Stadt Tegernsee (29. Juli).

Weitere Bahn-Sperrung: Es droht der Verkehrsinfarkt

Wer sich den Stau ersparen will und im Zug ins bayerische Idyll sitzt, ist nicht automatisch auf der sicheren Seite. Mit etwas Pech endet der Ausflug nicht am Seeufer mit der ersten Maß, sondern am Bahnsteig von Holzkirchen oder Schaftlach – mit einer bacherlwarmen "Weghoiben“ in der Hand.

Ein Blick auf das Herzogliche Bräustüberl in der StadtTegernsee.
Ein Blick auf das Herzogliche Bräustüberl in der StadtTegernsee. © IMAGO/Frank HOERMANN (www.imago-images.de)

Mehrere zum Teil defekte Weichen legen laut Bahnangaben die Strecke zwischen München und dem Endpunkt der S3 voraussichtlich bis zum 17. Juli lahm – mit "massiven Fahrzeitverlängerungen“ ins Oberland, wie die Bayerische Regionalbahn (BRB) mitteilt.

Ab dem 21. Juli strapaziert dann eine weitere Sperrung auf der Strecke zwischen Schaftlach und Tegernsee (RB 57) für über zehn Tage die Nerven von Einheimischen und Touristen aus aller Welt.

"Kein finales Ersatzkonzept": Bayerische Regionalbahn kündigt Sperrung noch nicht offiziell an

Einzelne Schwellen müssen dort erneuert werden. Doch die Stopfmaschine, die den Schotter wieder verdichten soll, ist ausgefallen und eine andere erst in knapp drei Wochen verfügbar. Sie ist eine echte Rarität.

Von den notwendigen Bauarbeiten wissen die Verantwortlichen seit Wochen – doch informiert hat die BRB die Fahrgäste bisher nicht. Auf dem gesamten Internetauftritt des Unternehmens fehlt jeder Hinweis. Laut Fahrplanauskunft verkehrt die Bahn ohne Verzögerungen.

Der Grund: "Da wir (...) noch kein finales Ersatzkonzept haben, kann auch keines kommuniziert werden“, heißt es auf Anfrage der AZ. Man stehe zwar mit den Beteiligten, darunter der Tegernsee Bahn Betriebsgesellschaft als Infrastrukturbetreiber in Abstimmung. Wie das "bestmögliche Ersatzkonzept“ aussieht, ist jedoch noch unklar.

Massive Probleme im letzten Jahr: Zahlreiche Münchner sind im Tegernseer Tal gestrandet

Bereits im vergangenen Jahr gab es nach dem Seefest in Tegernsee Probleme, als zwischen 100 und 300 Fahrgäste – die Zahlen schwanken – nicht mehr in den letzten Zug Richtung bayerische Landeshauptstadt gepasst haben und damit auf sich alleine gestellt waren.

Das große Feuerwerk beim Seefest vor zwei Jahren in Rottach-Egern am südlichen Ufer.
Das große Feuerwerk beim Seefest vor zwei Jahren in Rottach-Egern am südlichen Ufer. © Klaus Offermann/imago

"Das ging wirklich überhaupt nicht“, erinnert sich Christian Köck (CSU), Bürgermeister von Rottach-Egern, im Gespräch mit der AZ. Der Schienenverkehr müsse zuverlässiger werden. "Sonst sind all die entwickelten Konzepte nur heiße Luft.“

Ersatzverkehr zwischen München und Holzkirchen: "Ein Fahrer hat nicht einmal Giesing gefunden"

Die aktuelle Sperrung zwischen München und Holzkirchen zeige, dass der Schienenersatzverkehr nicht anständig funktioniert. Er sei unzuverlässig, oft deutlich überlastet – personell knapp besetzt, mit Fahrern, die oft nicht ortskundig sind.

"Mir wurde schon berichtet, dass die Fahrgäste demjenigen, der am Lenkrad sitzt, sagen mussten, wo es hingeht“, sagt Köck. "Einer hat offenbar nicht einmal Giesing gefunden.“ Ausgerechnet zur Hitzewelle sei das "überhaupt nicht lustig“. Zurzeit werde deutlich, "was bei uns eigentlich alles im Argen ist. Das muss man mal ganz ehrlich aussprechen“.

"Einzelhandel bekommt es zu spüren"

Nüchterner sieht das sein Amtskollege Johannes Hagn (CSU) aus der Stadt Tegernsee. "Endlich werden die versäumten Investitionen in die Infrastruktur vorgenommen“, sagt der Lokalpolitiker der AZ.

Vor allem nach dem Zugunglück in Burgrain vor drei Jahren, bei dem fünf Menschen starben, steht die Sicherheit der Passagiere für Hagn an erster Stelle. Dennoch stellt er die Frage, "ob die Begleiterscheinungen nicht besser hätten abgefedert werden können – und ob ausreichend kommuniziert wird“.

Vor Ort macht sich das Bahnchaos neben den Reiseproblemen für Einheimische auch finanziell bemerkbar. Betroffen ist vor allem der Tagestourismus, "was Wirte, Einzelhandel und Feste deutlich zu spüren bekommen“, sagt Christian Kausch, Geschäftsführer der Tegernseer Tal Tourismus GmbH, der AZ. "Die aktuelle Situation kommt mit dem Start der Ferien in Norddeutschland zur absoluten Unzeit.“

Stimmung angespannt: "Das Münchner können nichts dafür"

Oswald Pehel vom Tourismusverband Oberbayern befürchtet, dass viele Gäste zu den Seefesten mit dem Auto anreisen. Dabei müssten Hofauffahrten sowie Flucht- und Rettungswege unbedingt freigehalten werden. "Wir bitten um gegenseitigen Respekt und einen wertschätzenden Umgang miteinander.“

Auch Bürgermeister Köck aus Rottach-Egern hofft, dass sich der Konflikt zwischen genervten Einheimischen und Feierlustigen aus der bayerischen Landeshauptstadt dadurch nicht weiter verschärft.

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"Das München-Bashing muss endlich mal aufhören“, sagt er. "Die Münchner können nichts dafür, dass unsere Infrastruktur derart in die Jahre gekommen ist. Ich verstehe jeden, der bei dem warmen Wetter rausfährt und wir fahren doch auch für kulturelle Aktivitäten rein.“


Die Stadt Tegernsee organisiert für das Seefest unter anderem Shuttlebusse. Auch Ringlinien des Regionalverkehrs und der Schifffahrt sind zum Teil kostenlos. Genaue Informationen, zur Anreise und zum Programm gibt es im Internet unter: www.tegernsee.com.

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