"Kann nicht sein": Verkehrsminister schimpft über Streckensperrung bei Deisenhofen

Gesperrt von München bis ins Oberland: Die kurzfristige Stilllegung einer der wichtigsten Regionalbahnstrecken in Bayern stürzt Reisende ins Chaos.
Ralf Müller |
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Die Bahnstrecke von München nach Holzkirchen ist gesperrt worden.
Die Bahnstrecke von München nach Holzkirchen ist gesperrt worden. © Warmuth/dpa

Es ist nicht zum ersten Mal, dass sich Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) genötigt sieht, die Deutsche Bahn (DB) zu rügen. Unmittelbar vor dem vergangenen Wochenende stellten Techniker des Bahninfrastrukturunternehmens DB InfraGO (früher DB Netz) fest, dass der Bahnhof Deisenhofen südlich von München nicht mehr passierbar ist. „Es kann nicht sein, dass eine so wichtige Strecke von heute auf morgen gesperrt werden muss“, so Bernreiter.

„Schadhafte Schwellen“ seien an insgesamt sieben Weichen festgestellt worden, so eine Sprecherin der Bahn. Der Bahnverkehr von München nach Holzkirchen und von dort aus weiter ins Oberland zum Beispiel nach Bad Tölz, Tegernsee oder Schliersee wurde komplett gesperrt, denn „Sicherheit hat bei der Bahn immer oberste Priorität“.

Die auf der Strecke verkehrenden Zugbetreiber, die S-Bahn München und die private Bayerische Regionalbahn (BRB) stehen vor einem Chaos, ohne nachhaltig eingreifen zu können. Das seien die Weichen der DB InfraGO, sagt eine BRB-Sprecherin auf Anfrage lakonisch, „nicht unsere“.

Desolate Weichen: "Das kann fast nicht sein"

Ausgebremst werden die Regionalbahnen in Bayern an vielen Stellen. Die Ursachen sind immer dieselben: Bauarbeiten, die jedoch überwiegend angekündigt sind. Seit einem verheerenden Unfall bei Garmisch-Partenkirchen vor drei Jahren, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, schaut man beim DB-Infrastrukturbetrieb jetzt genauer auf Schienen und Schwellen und ist mit der Anordnung von Langsamfahrstrecken schneller bei der Hand.

Die „Regularien zu Betonschwellen“ seien seit dem damaligen Unglück „auch nachgeschärft“ worden, bestätigte die Bahn-Sprecherin. Die Bahn müsse auch das Netz in der Fläche in Schuss halten, nicht nur auf den Fernverkehrsstrecken, mahnte der Verkehrsminister.

Dass auf einen Schlag gleich sieben Weichen in einem Bahnhof desolat sein sollen, „kann fast nicht sein“, sagt Marco Kragulji vom Fahrgastverband Pro Bahn. Dort sieht man die Probleme vor allem im Personalmangel der Bahn-Unternehmen. Viele Mitarbeiter seien im Zuge der Corona-Pandemie gegangen, zu wenige konnten ersetzt werden, sagt Kragulji.

Züge müssen bei Hitze zum Teil langsamer fahren

Während die Schwierigkeiten der Bahn im Winter allgemein bekannt sind, drohen nach den Erkenntnissen von Pro Bahn dem Verkehrsmittel nun auch Probleme mit den anhaltenden hochsommerlichen Temperaturen. Der Stahl der Schienen dehnt sich bei Erwärmung aus. Das ist zu einem gewissen Maß mit berücksichtigt, doch ob die deutsche Bauweise auch mit anhaltenden Temperaturen um die 40 Grad fertig wird, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen.

Bei der Ammerseebahn zwischen Geltendorf und Weilheim seien wiederholt immer wieder Langsamfahrstrecken infolge der Gleisveränderungen bei Hitze angeordnet worden, berichtet der Pro-Bahn-Sprecher. Zwei Jahre lang tauscht die Bahn auf dieser Strecke Schienen, Schwellen und Gleisunterbau aus. Die Folgen für den Bahn-Reisenden: längere Fahr- und Wartezeiten, verpasste Anschlüsse.

17 Busse und 60 Großraumtaxen zwischen Giesing und Holzkirchen unterwegs

Pro Bahn erwartet bei fortschreitendem Hitze-Sommer außerdem mehr Meldungen über Züge, die wegen des Ausfalls der Klimaanlage womöglich evakuiert werden müssen. Als die Züge bestellt wurden, hatte man mit so lang anhaltenden Hitzeperioden mit Rekordtemperaturen nicht gerechnet, schildert Kragulji die Lage. Die damals verwendeten Klimaanlagen seien für so extreme Bedingungen, wie sie derzeit herrschen, nicht ausgelegt.

An den Bahnhöfen in München und Holzkirchen hat sich unterdessen so etwas wie eine Chaos-Routine eingestellt. Mittlerweile seien 17 Busse und bis zu 60 Großraumtaxen zwischen Holzkirchen und dem letzten noch mit der S-Bahn erreichbaren Bahnhof München-Giesing im Einsatz.

Ersatzverkehr ohne festen Fahrplan

„Der Ersatzverkehr“, so die DB Regio Bayern, „läuft den Umständen entsprechend relativ stabil, fährt allerdings aufgrund der Kurzfristigkeit noch ohne festen Fahrplan.“ Voraussichtlich ab Mittwoch werde es weitere Busse und einen festen Fahrplan geben, versprach die Bahn.

Darum hatte Bernreiter auch gebeten. Er erwarte von der Bahn neben der raschen Reparatur „schnellstmöglich“ einen belastbaren Zeitplan, eine schnelle Information der Fahrgäste und die Sicherstellung einer hohen Kapazität im Ersatzverkehr.

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  • elwoodMUC vor 10 Stunden / Bewertung:

    "Als die Züge bestellt wurden, hatte man mit so lang anhaltenden Hitzeperioden mit Rekordtemperaturen nicht gerechnet, schildert Kragulji die Lage. "

    Die "Klimaanlagen" der Bahn waren noch nie (!) für sommerliche Verhältnisse ausgelegt. Genau wie in den anderen Verkehrsmitteln des ÖPNV. Lediglich in den Zügen der BRB findet man - zumindest meistens - angenehme klimatische Bedingungen im Sommer vor.

    Aber DB und MVG werden es die nächsten 100 Jahre nicht kapieren. Die Entscheidungsträger, die solche Verkehrsmittel bestellen, müssen ja nicht mit diesen fahren... :-(

  • Perlacher vor 12 Stunden / Bewertung:

    Der beste Schienenersatzverkehr ist mit seinem eigenen PKW oder Motorroller zu fahren!

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