Jeder vierte Bayer will raus aus Deutschland

MÜNCHEN - Fast jeder vierte wünscht sich den Freistaat als eigenen Staat. Die Krise lässt die Bayern kalt. Große Studie der Hanns-Seidel-Stiftungüber das Lebensgefühl 2009
Der Freistaat ist nicht genug. Ein eigener Staat soll Bayern sein. Fast jeder vierte Bayer will das. So steht’s in der „Generationen-Studie 2009“ der Hanns-Seidel-Stiftung. Nicht das einzige überraschende Ergebnis der Erhebung. „Heimatgefühl und Leben in Bayern“ ist der Untertitel der Studie, die nach 2003 zum zweiten Mal gemacht und gestern vorgestellt wurde. Im Auftrag der Stiftung befragte die Gesellschaft GMS mehr als 1800 Bewohner Bayerns über 16 Jahren.
Mia san mia: Von den Befragten wollen 23 Prozent, dass Bayern selbstständig wird, bei den über 60-Jährigen sind es sogar 31 Prozent. Bei den 16- bis 34-Jährigen wollen immerhin noch 15 Prozent die Eigenstaatlichkeit. Strikt abgelehnt wird diese Idee von 56 Prozent, bei den Jungen sind es 63 Prozent. Nicht ganz los von Deutschland, aber mehr Unabhängigkeit für Bayern wollen von den Jüngeren 30 Prozent, von allen Befragten sind es 39 Prozent. Vor sechs Jahren wollten das nur 24 Prozent.
Bei den über 60-Jährigen gibt es keine Mehrheit für Bayern in der Bundesrepublik. Nur 43 Prozent sind mit dem gegenwärtigen Zustand zufrieden.
Wieder mal typisch! Was ist typisch Bayern, wollten die Interviewer wissen. Spontan antworteten 55 Prozent „Lebensart“, und nannten dabei zuerst Trachten, Dirndl, Lederhosen, (23 Prozent) gefolgt von Oktoberfest (18), Brauchtum oder Tradition (12). Dann fielen den Befragten Landschaft und Sehenswürdigkeiten ein: Berge, Seen und Wälder. Es folgt die Küche, mit Bier, Weißbier und Weißwurst. Erst dann der Dialekt, die Gemütlichkeit und der Glaube.
Und was ist mit der CSU? Es mag schmerzlich sein für die CSU-nahen Auftraggeber, sogenannte „Aushängeschilder“ wie die CSU halten nur zwei Prozent für typisch bayerisch. Auch BMW (ein Prozent) oder FC Bayern (4) werden nur unter ferner liefen genannt.
Mei Heimat: Wie schon 2003 waren Landschaft, Natur und hoher Freizeitwert ausschlaggebend für das Lebensgefühl der Menschen. Etwas seltener nennen die Befragten „gute Lebens- und Arbeitsverhältnisse“, und mit dem Ausdruck des Bedauerns bemerken die Autoren, dass „politische Erfolge“, wie Kriminalitätsbekämpfung, Schule und Bildung“ bei den Umfragen weniger genannt wurden als 2003.
Wirtschaft: Erstaunlich unerschütterlich reagieren die Bayern bislang auf die Wirtschaftskrise: Zwar sehen im Jahr 2009 45 Prozent der Befragten die allgemeine wirtschaftliche Situation sehr schlecht oder eher schlecht, 35 Prozent sehen sie zwiespältig. Im Jahr 2003, weit vor jedem Finanz-Crash waren die Bayern aber noch pessimistischer. 2003 sahen 65 Prozent die wirtschaftliche Lage sehr schlecht. Interessant auch die Einschätzung Bayerns im vergleich zu anderen Ländern. Hielten 2003 noch 59 Prozent der Menschen die Lage in Bayern für „eher besser“ als in anderen Ländern, waren es 2009 nur noch 40 Prozent. 49 Prozent sehen die Lage eher gleich, (2003: 34 Prozent).
Und selbst? Anders ist das Bild, wenn es um die persönliche wirtschaftliche Situation geht. 2009 finden 50 Prozent ihre Lage „sehr gut“ , nur 16 Prozent sehen sie sehr oder eher schlecht. Auch für die nahe Zukunft bleiben die Menschen im Freistaat optimistisch. 19 Prozent erwarten in einem Jahr eine Verbesserung, 66 Prozent, dass es gleich bleibt und nur 12 Prozent fürchten eine Verschlechterung.
Politik: Leicht abgenommen hat das politische Interesse der Bayern in den letzten sechs Jahren. Interessierten sich 2003 noch 46 Prozent stark oder sehr stark für Politik, waren es 2009 nur noch 42 Prozent. 57 Prozent (2003: 54) interessierten sich etwas oder gar nicht. Besonders alarmierend die Zahlen für die 16- bis 34-Jährigen. Von denen interessieren sich 65 Prozent „etwas oder gar nicht“ für Politik.
Liberalitas: Tröstliches verbreiten die Autoren unter „ Einstellungen zum Leben in Bayern. So halten 78 Prozent die Kirchen für „wichtig beim Traditionserhalt“., neun Prozent mehr als noch 2003. Und der Grundsatz: Leben und Leben lassen“ sehen 66 Prozent (2003: 62 Prozent) für gegeben.
Matthias Maus