Habeck: Bayern muss Windkraft mehr fördern
München - Der Bund verzichtet unter Umständen darauf, die umstrittene bayerische 10H-Abstandsregel für Windkraftanlagen durch ein eigenes Gesetz auszuhebeln. Wenn Bayern darlegen könne, dass die Windkraft auf seinem Gebiet auch auf andere Weise in Gang gebracht werden kann, „soll mir das recht sein“, sagte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) nach einem Treffen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gestern in München.
Trotz der Gespräche: Die (meisten) Differenzen bleiben
Söder begrüßte, dass Habeck in dieser Frage nicht nach dem Motto „Friss oder stirb“ vorgehen wolle. Trotz gegenseitig mehrfach versicherter persönlicher Wertschätzung blieben die beiden Politiker beim Thema Windkraftausbau unterschiedlicher Meinung. Die bayerische Abstandsregel, wonach ein Windrad zur nächsten Wohnbebauung einen Mindestabstand vom Zehnfachen seiner Höhe einhalten muss, ist laut Habeck Hauptgrund dafür, dass der Ausbau der Windkraft im Freistaat in den letzten Jahren zum Erliegen gekommen ist.
Söder ist anderer Ansicht: Wenn dem so wäre, würde es in anderen Ländern ohne eine solche Regelung einen enormen Zubau geben. Das sei aber – etwa in Baden-Württemberg – auch nicht der Fall. 10H, so Söders Schlussfolgerung, könne also nicht „der Hauptgrund“ für die Stagnation sein und deshalb sehe er auch keinen Anlass, die zum Schutz der Bürger eingeführte Vorgabe abzuschaffen.
Dennoch legten Habeck und Söder gestern die Grundlage für einen Kompromiss. Die Bayerische Staatsregierung soll bis spätestens März einen Plan vorlegen, wie der Windkraftausbau im Freistaat trotz 10H nachhaltig angeschoben werden kann.
Bayern hat "enorme Potenziale"
Auf jeden Fall wolle man ergänzende Regeln für das „Repowering“, also den Ersatz alter Anlagen durch moderne Konstruktionen, schaffen. Ansonsten würde die Zahl der Windräder sogar schrumpfen. „Das wollen wir nicht“, so der bayerische Ministerpräsident. Habeck hatte sich auf der Internetseite des Staatsunternehmens „Bayerische Staatsforsten“ kundig gemacht und dort „enorme Potenziale“ für Windkraftanlagen entdeckt.
Eine vierstellige Zahl von Windrädern könnte in den Staatswäldern entstehen, meinte der Bundesminister. Ob sich Bayern und der Bundesklimaschutzminister am Ende des Kompromiss-Prozesses einigen können, bleibt offen. Die Vorstellung Habecks, zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft zu nutzen, geht Söder jedenfalls eindeutig zu weit.
Der Ausbau der Stromleitungen muss schneller gehen
Das entspreche der Fläche von 200.000 Fußballfeldern: „Da sind wir skeptisch.“ Einig waren sich Söder und Habeck, dass der Ausbau von Stromleitungen forciert werden müsse. Wenn es damit so langsam weitergehe wie in den letzten Jahren, werde man für die noch erforderlichen 1.000 Kilometer Stromtrassen noch 75 Jahre brauchen, rechnete Söder vor. „Das geht auf keinen Fall.“ Habeck trat CSU-Befürchtungen entgegen, die neue Bundesregierung könnte den Süden benachteiligen. Söder wiederholte diese Befürchtung indirekt.
Wie die Bundesregierung mit dem „Süden“ umgehe, sei eine „zentrale Frage.“„Ich bin nicht Bundesminister für den Norden, sondern für ganz Deutschland“, hielt der Schleswig-Holsteiner Habeck entgegen. Die Frage des Windkraftausbaus in Bayern sei bedeutsam für die Versorgungssicherheit des ganzen Landes. Er wolle den bisher praktizierten „Unterbietungswettbewerb“ der Bundesländer zur Abwehr von Windrädern umdrehen. Anderenfalls „können wir den Laden auch dicht machen“. Beim Geplänkel um das letzte Wort auf der gemeinsamen Pressekonferenz behielt Gastgeber Söder einmal mehr die Oberhand.
In Franken wird gebaut, Oberbayern wird geschont
Er würde gerne sehen, dass der ländlichen Bevölkerung Bayerns offensiv die Notwendigkeit von Windkraftanlagen vor Augen geführt werde, sagte Habeck. Er könne dazu in Oberfranken gerne dabei sein, lud Söder den Bundesminister ein. In Ober- und Mittelfranken stehen bereits überdurchschnittlich viele Windräder. Man tue dies, um Oberbayern zu schonen, wird dort gelegentlich geargwöhnt.
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