Interview

Glaziologe Christoph Mayer zur Zukunft des Watzmanngletschers in Bayern: "Das Ende ist absehbar"

Düstere Aussichten: Glaziologe Christoph Mayer über die Zukunft von Bayerns kleinstem Gletscher – dem Watzmanngletscher.
Kilian Pfeiffer |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
2  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der Watzmanngletscher: Bedeckt von Schutt liegt er auf etwas über 2000 Metern. Regelmäßig wird er von Christoph Mayer vermessen.
Der Watzmanngletscher: Bedeckt von Schutt liegt er auf etwas über 2000 Metern. Regelmäßig wird er von Christoph Mayer vermessen. © Kilian Pfeiffer

Berchtesgaden - Die Gletscher in den Bayerischen Alpen schmelzen immer schneller. Das gilt auch für den Watzmanngletscher, der Christoph Mayer bereits seinem Ende entgegenblickt. Der Glaziologe erklärt im AZ-Interview, wie viel Zeit dem Watzmanngletscher noch bleibt und ob es Möglichkeiten zur Rettung gibt.

AZ: Herr Mayer, seit langem herrscht unter Wissenschaftlern Uneinigkeit darüber, ob der Watzmanngletscher immer noch als Gletscher betrachtet werden kann. Dieses Jahr war vom Gletscher kaum mehr etwas zu sehen. Wann wird diesem der Status aberkannt?
CHRISTOPH MAYER: Der Watzmanngletscher in den Berchtesgadener Alpen ist ein Sonderfall, da er in einem Trog liegt und daher nicht notwendigerweise immer alle Kennzeichen eines Gletschers aufweist. Allerdings hat er nach wie vor eine Größe, die ihn als Gletscher qualifiziert. Vor allem sind einige Teile des Eisvorkommens auch nicht mehr sichtbar. Einiges an Eis liegt unter dem Schutt verborgen. Es ist für uns aber auch nicht wesentlich, ob das Eisvorkommen noch als Gletscher gezählt werden kann, sondern ob es sich noch lohnt, diesen Gletscher weiter zu beobachten. Bisher ist das noch gegeben.

Glaziologe Christoph Mayer: "Das Ende der Gletscher ist absehbar"

Wie ist der aktuelle Zustand des Watzmanngletschers?
Der Watzmanngletscher hat deutlich stärkere Fluktuationen als die anderen bayerischen Gletscher, bezogen auf seine Fläche. Anfang der 1950er Jahre war er mal völlig verschwunden und hat sich danach wieder gebildet. Derzeit schmilzt er aber sehr stark ab, und weite Teile werden immer mehr vom Schutt der Kare bedeckt. Dies macht die Beobachtung deutlich schwieriger. Der zentrale, noch schuttfreie Teil wird aber bald abschmelzen.

Mit welchen Methoden überwachen Sie diesen Schmelzprozess? Wie stark steht der Gletscher derzeit im Fokus Ihrer Aufmerksamkeit?
Wir vermessen die bayerischen Gletscher in der Regel mit terrestrischer Photogrammetrie (Messen mit Bildern; d. Red.) Daraus werden Höhenmodelle abgeleitet. Die Differenz von Höhenmodellen aus unterschiedlichen Jahren ergibt dann den Volumenverlust oder eben den -zuwachs. In der Vergangenheit wurden die Beobachtungen nur alle zehn Jahre durchgeführt. Inzwischen wählen wir kürzere Zeiträume, da die Veränderungen so groß sind. Das Ende der Gletscher ist absehbar. Der Watzmanngletscher ist in unserem Fokus, allerdings wegen seiner beschränkten Größe nicht wirklich bedeutsam.

"Technische Maßnahmen sind auszuschließen": Kann der Watzmanngletscher gerettet werden? 

Der Sommer war sehr heiß. Schnee gilt als Gletschernahrung. Die Akkumulationsphase, in der die Gletscher normalerweise wachsen, erstreckt sich über den Winter. Sehen Sie gute Chancen, dass der Watzmanngletscher nochmals an Masse gewinnen kann?
Es kann sicherlich vorkommen, dass der Gletscher in einzelnen Jahren etwas an Masse gewinnt. Das ist dann der Fall, wenn es einen schneereichen Winter gibt und der Sommer kühl und verregnet war. Aber diese Zuwächse sind im Vergleich zu den in den vergangenen Jahrzehnten negativen Massenbilanzen extrem klein. Sie können das Abschmelzen nicht verhindern.

Ist man gezwungen, dem Watzmanngletscher beim Verschwinden tatenlos zuzuschauen? Oder gibt es Maßnahmen, die dem Schwund entgegenwirken könnten?
Technische Maßnahmen sind auszuschließen. Der Gletscher liegt im Nationalpark Berchtesgaden und ohnehin wären diese Maßnahmen viel zu aufwendig. Der Gletscher ist derzeit soweit außerhalb seines Gleichgewichts, sodass er verschwinden wird.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

In wenigen Jahren könnte der Watzmanngletscher geschmolzen sein

Wie wichtig sind die wenigen verbliebenen Gletscher für Bayern? Hat der Rückgang des Watzmanngletschers Auswirkungen auf die umliegende Ökologie und die Wasserversorgung?
Die bayerischen Gletscher haben weitgehend einen symbolischen Charakter, da es mit die letzten verbliebenen Gletscher in den nördlichen Kalkalpen sind. Die Gebirge zeichnen sich auch deswegen als Hochgebirge aus, weil dort Gletscher vorkommen. Für die Wasserversorgung spielen sie keine Rolle. Dafür sind sie zu klein. Die umliegende Ökologie wird sich sicherlich geringfügig ändern. Aber diese Auswirkungen sind sicherlich sehr lokal begrenzt.

Würden Sie eine Wette eingehen, wie lange der Watzmanngletscher noch "überleben" kann?
Nein, da kann man sich leicht um ein paar Jahre verschätzen, gerade wenn es dem Ende zugeht. Da spielen dann die einzelnen Jahre doch eine große Rolle. Meine Prognose unter der Annahme, dass es in den kommenden Jahren ähnlich ist wie in den vergangenen zehn Jahren: etwa vier bis fünf Jahre.


Zur Person: Christoph Mayer ist Teil der Kommision für Erdmessung und Glaziologie bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
2 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • F. Graf Denunziant am 06.11.2023 09:36 Uhr / Bewertung:

    Hier wird das Verschwinden der Gletscher im Zuge des Wetterschwindels beklagt, auf der anderen Seite gibt es hier einen Artikel, der das salzen von Radwegen, Schnee im Flachland, propagiert. Gegensätzliche Artikel.

  • Sarah-Muc am 06.11.2023 11:39 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von F. Graf Denunziant

    Wetterschwindel? Woher haben Sie das denn? Und dass es schneien könnte im Winter muss man
    einfach in die Planung für den Wetterdienst einbeziehen - auch wenn es dann nicht schneit.
    Mich wundert echt nichts mehr, wenn heute noch von "Wetterschwindel" geschrieben wird.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.