Gericht urteilt über umstrittenes Polizeiaufgabengesetz: Präventivgewahrsam ist legal

Bayerische Richter sehen die Praxis als rechtens an – ein herber Rückschlag für Gegner des PAG.
von  Ralf Müller
Protest bei einer Kundgebung des Bündnisses "noPAG - Nein! zum neuen Polizeiaufgabengesetz" in München. (Archivbild)
Protest bei einer Kundgebung des Bündnisses "noPAG - Nein! zum neuen Polizeiaufgabengesetz" in München. (Archivbild) © dpa

München - Eine krachende Abfuhr erteilte der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) einer Popularklage des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG).

Zum größten Teil wiesen die Richter in einer am Mittwoch bekanntgegebenen Entscheidung die Klage als unzulässig ab. Im Übrigen sei sie unbegründet, erläuterte Gerichtspräsident Hans-Joachim Heßler in der mündlichen Urteilsbegründung in München.

Nicht entschieden ist damit vor allem die Frage, ob die umstrittene Einführung des Begriffs der "drohenden Gefahr" als neue Kategorie zum Tätigwerden der Polizei mit der Verfassung vereinbar ist. Die Richter stellten den Verfassern der Popularklage ein schlechtes Zeugnis aus. Deren Vortrag sei zur Begründung der Zulässigkeit der Klage "von vornherein ungeeignet". Im Übrigen genügt ihr Vorbringen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Grundrechtsverletzungen seien nicht hinreichend dargelegt.

Präventivgewahrsam kann teilweise bis zu zwei Monate dauern

Immerhin gibt es jetzt eine Entscheidung zur Dauer des polizeilichen Präventivgewahrsams. Diese "präventive Ingewahrsamnahme" durch die Polizei darf jetzt bis zu einem Monat dauern und kann um einen weiteren verlängert werden, wenn von dem Betreffenden Straftaten zu erwarten sind.

Die Maßnahme steht unter Richtervorbehalt. In der ersten Fassung des PAG, die nach massiven öffentlichen Protesten entschärft wurde, war sogar eine Höchstdauer von bis zu sechs Monaten mit Verlängerungsmöglichkeiten vorgesehen, was als "Unendlichkeitsgewahrsam" gebrandmarkt wurde. Aber auch die verkürzte Dauer stellt nach Ansicht des bfg eine "Strafe auf Verdacht" beziehungsweise eine "vorbeugende Strafe" dar. Das ursprünglich gegen Terrorverdächtige vorgesehene Instrument werde jetzt auf Klimaaktivisten angewandt und verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, den Grundsatz der Gewaltenteilung und mehrere Grundrechte.

Tatsächlich wurde das neue PAG gegen sogenannte Klima-Kleber in Bayern schon öfter angewandt, um sie von weiteren Aktionen abzuhalten. Die gesetzlichen Vorgaben zur Dauer einer Freiheitsentziehung von nicht mehr als einem Monat mit einer einmonatigen Verlängerungsmöglichkeit verletzten weder den Bestimmtheitsgrundsatz noch enthielten sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Person, so der BayVerfGH.

Ein auf zwei Monate begrenzter polizeilicher Präventivgewahrsam sei zwar ein "schwerwiegender Grundrechtseingriff", dieser sei jedoch ausreichend abgesichert. Auch durch die Möglichkeit der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde werde "effektiver Rechtsschutz gewährleistet".

Schulze: "Diskussion um das PAG ist noch lange nicht vorbei"

Die juristische Debatte insbesondere um die neue Gefahrenkategorie "drohende Gefahr" ist damit noch nicht abgeschlossen. Sogenannte "Meinungsverschiedenheiten" von SPD und Grünen sowie weitere Popularklagen sind von den bayerischen Verfassungshütern noch zu entscheiden.

"Mit diesem Urteil ist die Diskussion um das Polizeiaufgabengesetz noch lange nicht vorbei", sagte denn auch die Vorsitzende der Grünen im Landtag, Katharina Schulze. Das Gericht habe zur Frage, ob die "drohende Gefahr" als Eingriffsbefugnis im allgemeinen Polizeirecht verfassungskonform ist, keine Entscheidung getroffen. Das werde ein zentraler Punkt bei der Verhandlung der weiteren offenen Klagen sein.

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