Gabi Schmidt: "Frauenquote? Einen Versuch wäre es wert"

München - AZ-Interview mit Gabi Schmidt: Die 53-Jährige ist unter anderem frauenpolitische Sprecherin der Freien Wähler und seit 2013 stellvertretende Bundesvorsitzende. Sie hat drei Töchter und wohnt mit ihrem Mann auf einem Bauernhof in Neustadt an der Aisch.
AZ: Frau Schmidt, die Zahlen zeigen: Politik ist, trotz positiver Veränderungen, noch immer eine Männerdomäne. Bei der Landtagswahl 2018 waren nur 26,8 Prozent der Gewählten Frauen - so wenige wie seit vielen Jahren nicht. Wie kann das sein?
GABI SCHMIDT: Ich denke, es hat immer etwas damit zu tun, wie man es vorlebt. Als ich in meinen Zwanzigern angefangen habe, hatte ich zwei Kinder und einen Bauernhof. Da sind die Zeiten, in denen Politik gemacht wird, gerade für junge Familien, äußerst ungünstig. Und manchmal sind all diese Sitzungen und Beratungen furchtbar aufgeblasen. Manches ist einfach nicht effizient gemacht und das hilft den Frauen dann nicht. Und es gibt ja immer noch Kommunen, die diese langen Abendsitzungen geradezu glorifizieren. Aber Frauen brauchen am Freitagabend kein Gloria, die wollen einfach mitbestimmen und Erfahrungen einbringen können.
"Wo Frauen vor Ort sind, hat sich viel verändert"
Hat sich, seit Sie angefangen haben, etwas geändert?
Wo Frauen vor Ort sind und das vorgelebt haben, hat sich viel verändert. Ich nenne als Beispiel Birgit Kreß, die ist im Gemeinderat ganz vorne mit dabei und Bürgermeisterin in Markt Erlbach (Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim, d. R.) und da hat man dann natürlich auch mehr Frauen auf den Listen. Erschreckend finde ich aber, dass, wenn man Frauen fragt, ob sie sich politisch engagieren wollen, sie oft sagen: "Frag doch meinen Mann". Und wenn man sagt: "Ich will aber dich", dann erschrecken sie. Ich denke, das kommt auch durch diese Glorifizierung, dass man meint, das würde man nicht schaffen. Natürlich schafft man das!
Die CSU geht erstmals mit einer paritätischen Kandidatenliste in die Bundestagswahl. Doch es gibt Kritik, da für die CSU meist Direktkandidaten in den Bundestag einziehen - und das sind vor allem Männer. Was sagen Sie - echte Verbesserung oder Wahlkampfgag?
Ich bin da gespalten. Ich halte es für ein wichtiges politisches Zeichen, aber es ist ein bisschen so wie das Orange an der Ampel. Einerseits nice to have, aber wenn es für die Bundestagswahl gilt, muss es eigentlich für alle Ebenen gelten. Und gerade in der Kommunalpolitik fehlt bei den Frauen leider oft die Bereitschaft.
Hätten Sie sich eine solche paritätisch besetzte Liste auch für die Freien Wähler gewünscht?
Zeitweise habe ich es mir gewünscht, nicht nur auf Bundesebene. Ich habe es bei der Kreistagswahl so gemacht: Ich sollte auf Platz eins der Liste und ich habe gesagt: "Ich gehe nur auf Platz eins, wenn wir so viele Frauen, wie wir haben, paritätisch besetzen." Und das haben wir dann auch gemacht. Allerdings haben wir auch auf Bundesebene nahezu eine paritätische Liste hinbekommen.

Man könnte sagen: Glück gehabt.
Nein, das war kein Glück, sondern unsere gute Frauenarbeit. Das Grundproblem liegt aber woanders, nämlich darin, dass Frauen nicht gerne Frauen wählen.
Tatsächlich?
So sagt es zumindest die Statistik.
Können Sie das verstehen?
Es gibt auch viele Frauen, die ich nicht wählen würde, weil mir ihre Gesinnung nicht gefällt oder ich Dinge unstimmig finde. Aber wenn Frauen Frauen unterstützen würden, sähen allein die Kommunalparlamente schon ganz anders aus. Grundsätzlich, auch abseits der Politik, sage ich frei nach Liz Taylor: Frauen, die Frauen ausbremsen oder nicht unterstützen, müssten ein extra Stockwerk zehn Kilometer unter der Hölle bekommen.
"Bei dieser Angst vor Quoten denke ich: Was soll denn passieren?"
Und in der Politik: Würde eine Frauenquote das Problem lösen?
Ich sehe auf dem Wahlzettel, dass man mit der Quote wenig erzwingen kann. Andererseits denke ich mir bei dieser Angst vor festen Quoten auch: Mein Gott, was soll denn passieren, wenn in jedem zweiten Führungssessel oder in politischen Führungspositionen eine Frau sitzen würde? Ich sage manchmal im Scherz: "Ich wüsste gar nicht, wo man so viel schlechte Frauen herkriegen sollte, wie wir in den vergangenen 200 Jahre schlechte Männer hatten!" In München zum Beispiel würde ich das sofort ausprobieren.
Ein Modellprojekt Frauenquote wäre für Sie eine Option?
Warum nicht? Ich finde, wir hätten nichts verloren, wenn wir das auf Stadt-Ebene mal ausprobieren, einfach, damit jeder sieht, dass es nichts Schlimmes ist. Aber dann bitte verpflichtend für alle Gremien. Zum Beispiel auch im Studentenbeirat. Da sind es dann nämlich auch oft die Jungs, die zwar fürs Gendersternchen kämpfen, aber dann doch in der ersten Reihe stehen wollen.
Wenn Sie eine Sache sofort ändern könnten, um mehr Frauen in die Politik zu bringen: Was wäre das?
Jede zweite Gemeinderatssitzung verpflichtend am Freitagvormittag oder unter der Woche am Vormittag oder Nachmittag. Das wäre schon mal ein Anfang. Und auch eine Redezeitbegrenzung in den politischen Gremien wäre sehr sinnvoll.