Fotograf über Gipfel-Geometrie: "Da fühle ich mich einfach lebendig"
Tausende und Abertausende Gipfelkreuze stehen in den Bergen: Konstruktionen aus Holz oder Metall auf Berggipfeln montiert und fortan Wind und Wetter ausgesetzt.
Für Ludwig Watteler (65) eröffnen sich damit völlig außergewöhnliche Perspektiven, Geometrien und neue Räume. Abhängig von Licht, Uhr- und Jahreszeit ist für den freiberuflichen Fotografen das Gipfelkreuz ein erhabener Moment des Innehaltens.

Und damit weit mehr als bloß ein netter Gipfelschmuck. Nein, für ihn ist es Kunst - sehr sehenswerte Foto-Kunst, die zwar schon mal im Rheinland in einer Ausstellung zu sehen war - aber noch nicht in München. "Das Gesehene macht das Bild aus - nicht die Technik", sagt Ludwig Watteler, der konsequent auf Bildveränderung durch Composing oder "Nachbesserung" durch Bildbearbeitungsprogramme verzichtet.
AZ: Wie viele Kreuze haben Sie denn schon fotografiert?
LUDWIG WATTELER: 80 Stück werden es wohl sein.
Und Sie sind jedes Mal selber raufgelaufen auf die Berge. Ohne Seilbahn?
Ja, alles zu Fuß, ohne Drohne, auch im Winter. Nicht zwanghaft - mir macht das Ganze einfach Spaß.
Wie man hört, sind Sie kein Bayer...
...ich bin ein Kölscher Jung und wohne seit 1982 in München.
Ludwig Watteler: "Das mit den Gipfelkreuzen hat gedauert"
Was war denn Ihr erster Berg, den Sie bezwungen haben?
Die Brecherspitze.
Und - gleich das Kreuz fotografiert?
Nein. Erst mal das Bergwandern gelernt. Das mit den Gipfelkreuzen hat gedauert.
Wie lange denn?
Bis 2006. Da ist mir dann plötzlich diese ganz besondere Geometrie aufgefallen. Da hat es Klick gemacht.
Wie entstehen Ihre Gipfelkreuz-Fotos?
Es ist der erste Blick. Ich komme kurz vorm Gipfel um die Kurve und sehe das Kreuz. Dieser erste Blick wird eingefangen. Das ist das Besondere daran.
Deshalb ist jedes Foto auch ganz anders.
Genau. Ich inszeniere die Kreuze ja nicht.
Was ist für Sie das Reizvolle an Ihren Bildern?
Es kommt jedes Mal zu einer ganz eigenen geometrischen und grafischen Aufteilung. Das eigene Sehen, Werten und Empfinden bleibt freilich jedem selber überlassen.
"Das Material ist eigentlich unerheblich"
Haben Sie einen religiösen Bezug zu den Gipfelkreuzen?
Ich bin zwar Katholik - aber nein, das spielt beim Fotografieren der Gipfelkreuze bei mir keine Rolle.
Und ein Lieblingskreuz?
Nun gut, es gibt welche aus Holz, oft mit Schnitzerei wie in Südtirol, dann Stahlkonstruktionen - das Material ist eigentlich aber unerheblich...
...gar keinen Favoriten?
Vielleicht das Kreuz am Birnhorn in den Leoganger Steinbergen.
Und in Bayern?
Die Ankelspitz (1.124 Meter) bei Fischhausen - ein Kreuz auf Augenhöhe, das ist selten.
Noch ein Geheimtipp?
Das Kreuz auf dem Schlierseespitz (1.279 Meter), weil es so simpel, so klar gestaltet ist. Das Ganze mit tiefblauem Himmel, dazu die ganz feine Holzmaserung...
"Schwarz-weiß macht es deutlicher, plakativer"
Und was ist ein ganz besonders sehenswertes Kreuz?
Auf der Schartwand, im Tennengebirge, da gibt es ein Gipfelkreuz aus Glas. In 2.300 Metern Höhe, kaum zu glauben, dass das Material da oben überhaupt hält.
Warum fotografieren Sie eigentlich bloß schwarz-weiß?
Schwarz-weiß macht es deutlicher, plakativer. Wenn man etwa ins Gegenlicht schaut oder fotografiert, sieht man eh keine Farbe mehr. Bei schwarz-weiß sieht man immerhin noch unterschiedliche Grautöne.
Haben Sie bei ihren Gipfeltouren ein besonderes Ritual?
In der Tat. Jedes Jahr am 2. Oktober, mache ich ein Gipfelkreuz-Geburtstagsfoto, ob bei Schnee, Kälte oder schlechter Sicht. Jedes Jahr. Da fühle ich mich einfach lebendig.
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