Fall Hanna - "Verteidigerin nicht aufmerksam": Entscheidung zur Befangenheit im Hanna-Prozess

Im Mordprozess um Hanna aus Aschau gilt das Gericht nicht als befangen. Warum sich die Entscheidung dennoch rächen könnte.
von  Heidi Geyer
Ein E-Mail-Verkehr zwischen Jacqueline Aßbichler (im Bild) und Staatsanwalt Wolfgang Fiedler war Anlass für Regina Rick, einen Antrag zu stellen.
Ein E-Mail-Verkehr zwischen Jacqueline Aßbichler (im Bild) und Staatsanwalt Wolfgang Fiedler war Anlass für Regina Rick, einen Antrag zu stellen. © dpa

Traunstein - "Unbegründet", heißt es in dem Beschluss der Ersten Jugendkammer des Landgerichts Traunstein. Ausgerechnet über ihre Kollegen der Zweiten Jugendkammer hatte das Gericht befinden müssen. Denn Wahlverteidigerin Regina Rick sah eine Befangenheit der Richter gegen ihren Mandanten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 22-jährigen Sebastian T. vor, dass er die nur ein Jahr ältere Hanna umgebracht haben soll. Die Medizinstudentin war von ihrem Clubbesuch im "Eiskeller" nicht nach Hause gekommen. Tags darauf fand ein Mann ihre Leiche in der Prien.

Der Prozess hätte eigentlich schon vor Weihnachten enden sollen, jedoch verzögerte sich das Verfahren. Auch weil Rick zahlreiche weitere Beweisanträge einbrachte. Anträge, deren Ergebnisse ihren Mandanten teils noch mehr belasten, als ihn zu entlasten. In der vergangenen Woche reichte Rick schließlich einen Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit ein.

Fall Hanna: Mail-Verkehr zwischen Richterin und Staatsanwalt sorgte für Diskussion

Rick hatte einen E-Mail-Verkehr in der Akte gefunden, der eine sehr vertraute Kommunikation zwischen Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler und Staatsanwalt Wolfgang Fiedler zeigte.

Auf den ersten Blick war diese Kommunikation für Laien tatsächlich trügerisch, ging es doch um die Auslegung der Delikte. Wortwörtlich schrieb Aßbichler: "Ich denke, dass die Aussage des M. (Mithäftling, d. Red.) zum Tötungsvorsatz ganz wichtig ist. Der Angeklagte sagte, er habe sie bewusstlos geschlagen, damit sie sich nicht wehren kann und er habe sie nicht töten wollen... damit gef KV (gefährliche Körperverletzung, d. Red.) in Tatmehrheit mit Mord."

Erste Jugendkammer sieht keine Befangenheit

Die Erste Jugendkammer sieht darin keine Befangenheit. Denn Aßbichler habe in der nächsten Hauptverhandlung einen rechtlichen Hinweis erteilt, "der im Wesentlichen den Inhalt der rechtlichen Erörterungen zwischen ihr und dem Sitzungsvertreter wiederholte".

Daher: "Eine Besorgnis der Befangenheit besteht nicht." In der Tat reicht schon die bloße Besorgnis, es muss nicht gleich die tatsächlich nachweisbare Befangenheit sein, um so einem Antrag stattzugeben.

Tatsächlich nimmt die Kammer Aßbichler sogar in Schutz und weist darauf hin, "dass die Vorsitzende Richterin im Rahmen ihrer Pflicht zur Verfahrensförderung zur Abgabe von rechtlichen Hinweisen gemäß Paragraf 265 StPO verpflichtet war".

Dort heißt es nämlich, dass ein Angeklagter "nicht aufgrund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden" darf, ohne dass er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist. Sprich: Ändert sich der Vorwurf, muss er das sofort erfahren. Und das war der Fall.

Vertreter von Hannas Eltern kritisiert Anwältin Regina Rick:  "Nicht durchgängig aufmerksam"

Walter Holderle, Vertreter von Hannas Eltern, die Nebenkläger sind, ist nicht überrascht über das Ergebnis des Antrags, wie er der AZ sagt. Vermutlich habe Regina Rick den Hinweis in der Verhandlung überhört.

"Es ist ja offensichtlich, dass die Verteidigerin nicht durchgängig aufmerksam ist", so Holderle. Tatsächlich hatte Rick zwar ein Video aus einer Webcam zur Entlastung anschauen wollen, das ihren Mandanten beim Joggen durch Aschau zeigte, blickte dann aber nicht hin und fragte sogar: "War er jetzt schon da?"

Auch die anderen Punkte gelten laut der Ersten Jugendkammer "nicht als stichhaltig". Hier ging es um DNA-Gutachten, die T. entlasten. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass Rick den Antrag allein unterschrieben hatte. Die Pflichtverteidiger Harald Baumgärtl und Markus Frank hatten den Brief eben nicht unterzeichnet.

Anwältin Rick will Berufung einlegen: "Traunsteiner Rechtsauffassung"

Rick lässt sich offenkundig nicht entmutigen von der Ablehnung ihres Antrags und spricht von einer "Traunsteiner" Rechtsauffassung. Sie kündigt bereits die Revision an. "Dass Erörterungsgespräche ohne Beteiligung der Verteidigung geführt werden dürfen, wenn danach ein Hinweis erteilt wird, wird der Bundesgerichtshof aller Voraussicht nach nicht teilen", so Rick zur AZ.

In der kommenden Woche kommen möglicherweise schon die Plädoyers.

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