"Ertrinken ist Männersache": Schon 32 Badetote in Bayern

Ertrinken ist in den vergangenen drei Jahren eine immer häufigere Todesursache in Deutschland geworden. Die Zahl der Badetoten könnte 2025 ein Rekordniveau erreichen – warum daran auch manchmal das Smartphone schuld ist.
von  Ralf Müller
Die Wasserwacht am Starnberger See bei einer Übung. In diesem Jahr werden die Retter zu besonders vielen Einsätzen gerufen.
Die Wasserwacht am Starnberger See bei einer Übung. In diesem Jahr werden die Retter zu besonders vielen Einsätzen gerufen. © dpa

Der heiße Sommer fordert seinen Tribut, paradoxerweise vor allem im kühlen Nass. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zählte in Bayern heuer bereits 32 Badetote. Dabei sind unklare Fälle wie etwa das Verschwinden von Vater und Sohn im Eibsee sowie Selbstmorde nicht berücksichtigt.

Die bayerische Wasserwacht berichtet von 20 Toten im Monat Juni. Bundesweit starben allein am Wochenende vom 20. auf 21. Juni 15 Menschen beim Baden in Gewässern.

Rückgang der Schwimmfähigkeit in der Bevölkerung

Ertrinken ist in den vergangenen drei Jahren eine immer häufigere Todesursache in Deutschland geworden. Bundesweit ertranken im vorigen Jahr 411 Personen. 2022 waren es 355 und 2023 bereits 380. Der Aufwärtstrend ist also unverkennbar. Das liege nicht nur an den heißeren Sommern, sondern habe auch mit veränderten Gewohnheiten und Defiziten in der Bevölkerung zu tun, sagen die Lebensretter von Wasserwacht, DLRG und der Bundesverband Deutscher Schwimmmeister.

An die erste Stelle setzen die Organisationen, die mit der Rettung Ertrinkender befasst sind, den "Rückgang der Schwimmfähigkeit in der Bevölkerung". Immer mehr Kinder verließen die Grundschule, ohne schwimmen zu können, beklagt Ralf Großmann, Landesvorsitzender des Schwimmmeister-Verbands in Bayern.

An die zweite Stelle setzt er "mangelnde Aufsicht und Eigenverantwortung" Auch in bewachten Bädern würden Warnhinweise und Baderegeln zunehmend ignoriert. Schwimmmeister-Bundesvorsitzender Peter Harzheim ließ kürzlich in einem Interview seinem Unmut über laxe Eltern freien Lauf: "Viele achten nur noch auf ihr dämliches Smartphone, aber nicht auf ihre Kinder."

Den typischen Badetoten gibt es nicht

Den typischen Badetoten gibt es nicht, wohl aber sind bemerkenswerte Tendenzen unter den Opfern erkennbar. "Ertrinken ist Männersache", fasst ein Sprecher der DLRG Bayern die Beobachtungen zusammen.

Mehr als drei Viertel der Ertrunkenen waren im vergangenen Jahr männlichen Geschlechts. Junge Männer überschätzten sich im Übermut oft, nicht selten seien auch Alkohol und Drogen im Spiel, heißt es bei der DLRG. Bei Senioren spielten Vorerkrankungen oft eine Rolle.

Die angriffslustigen Welse im Brombachsee werten die Rettungsfachleute nicht als Gefahr, wohl aber fließende Gewässer wie Isar und Donau, die es nicht erlauben, an die Einstiegsstelle zurückzuschwimmen, und bei denen auch kein Bademeister Dienst tut.

Niedrige Temperaturen können gefährlich sein

Die zum Teil auch im Sommer sehr niedrigen Temperaturen von Bergseen wie etwa von Königsee oder Eibsee können für Krämpfe und Kreislaufkollaps sorgen. Auf großen Seen wie dem Starnberger See und dem Chiemsee bilden Personendampfer, Motorboote und Segler ein zusätzliches Gefahrenpotenzial. 2022 wurde ein Schwimmer im Starnberger See von einem Motorboot überfahren und getötet.

"Verpflichtende Aufsicht an bekannten und stark frequentierten Badestellen", fordert Schwimmmeister-Vorsitzender Großmann als eine Konsequenz aus dem Geschehen. "Personalmangel in der Bäderbranche" erschwere die Situation zusätzlich. Vor allem aber mahnen die Fachleute vor allem einen verstärkten Schwimmunterricht "insbesondere an den Schulen" (Großmann) an.

Nicht Kinder sind die gefährdetste Gruppe

Die SPD im Bayerischen Landtag rennt schon seit Jahren gegen die Schließung kommunaler Bäder – insbesondere auf dem Land – an. Ihr sportpolitischer Sprecher Arif Tasdelen nennt die Entwicklung "sehr besorgniserregend".

Damit alle Kinder schwimmen lernen können, müssten die Bäder erhalten und ertüchtigt werden. "Da dürfen wir unsere Kommunen bei der Finanzierung nicht im Stich lassen", so Tasdelen. "Schwimmen ist die einzige Sportart, die Leben retten kann. Das muss uns das Geld wert sein."

Das Vorhalten kommunaler Schwimmbäder liege in der Eigenverantwortung der Kommunen, teilt das bayerische Kultusministerium mit: "Diese entscheiden im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts, ob und in welchem Umfang kommunale Schwimmbäder errichtet und betrieben werden."

Im Übrigen sind nach Darstellung des Kultusministeriums nicht die Kinder die am meisten von Schwimmunfällen bedrohte Gruppe, sondern die Senioren: „"Während sich unter Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis Anfang 50 im Jahre 2024 weniger Todesfälle ereigneten, häuften sich diese darüber hinaus jedoch deutlich." Etwa 60 Prozent der Opfer seien älter als 55 Jahre gewesen.

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