"Eiskapelle war magischer Ort": Die Geschichte des eingestürzten Naturwunders

Alexander von Humboldt hat sie 1797 besucht, später finden dort Slalomrennen statt. Die eingestürzte Höhle war ein "magischer Ort", der seit hunderten Jahren die Menschen fasziniert.
Leonie Fuchs, Kilian Pfeiffer, Christoph Trost |
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Ein beinahe magischer Ort: die Eiskapelle am Watzmann vor ihrem Einsturz.
Ein beinahe magischer Ort: die Eiskapelle am Watzmann vor ihrem Einsturz. © IMAGO/Cavan Images
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Sie ist verschwunden: Die Eiskapelle am Fuß der Watzmann-Ostwand in den Berchtesgadener Alpen ist eingestürzt. Dies sei eine Folge des fortschreitenden Klimawandels, teilt der Nationalpark Berchtesgaden am Dienstag mit (AZ berichtete). Was machte sie so besonders?

Die Eiskapelle galt laut Landesamt für Umwelt (LfU) als eines der 100 bedeutendsten Geotope Bayerns und war ein beliebtes Fotomotiv. Warum? "Sie war die tiefstgelegene Ansammlung von Schnee, Firn und Eis in einer Höhenlage zwischen 850 und 1000 Metern", sagte Höhlenforscher Andreas Wolf der AZ bereits vor einiger Zeit in einem Interview. Und weiter: "Je nach Jahrgang kann sich in den Firn- und Eismassen untertags ein Höhlensystem von bis zu 400 Metern Länge entwickeln. Dies ist in der Bundesrepublik einmalig."

Eiskapelle: "Sie war ein Unikat"

"Sie war ein Unikat", sagt auch Jörg Fegg, Vize-Vorstandsvorsitzender des Deutschen Alpenvereins, der AZ. Denn auf dieser Höhe gebe es in Deutschland sonst keine derartigen gletscherartigen Schneefelder.

Mit dem Begriff Eiskapelle wird laut Wolf einerseits das Schnee- und Firnfeld tituliert, andererseits bezeichnet die Höhlenforschung damit auch das Höhlensystem.

Dem LfU zufolge glich der Höhleneingang einem Gletschertor. Fegg vergleicht die Form mit der Tür eines Doms. Schächte und Gänge bildeten, so das LfU, das Innere der Höhle, die im Sommer mehr als 30 Meter Breite und 15 Meter Höhe erreichten.

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"Wenn im Winter die Zugänge durch Schnee erneut blockiert werden, schrumpfen die Höhlengänge wieder. So wechseln Firnfeld und Höhle ständig ihre Gestalt", heißt es auf der Webseite.

Seit Ende 2019 habe die Formation mehr als 575.000 Kubikmeter Firneis verloren, so der Nationalpark weiter. Forscher hatten deshalb laut Parkverwaltung das Verschwinden der Eiskapelle vorhergesagt, über den frühen Zeitpunkt des Einsturzes waren aber auch die Experten überrascht.

Auch Alexander Humboldt besuchte das "prächtige Eisgewölbe"

Die Eiskapelle wurde im November 1797 von Alexander von Humboldt besucht. Laut Berichten beschrieb der Naturforscher das "prächtige Eisgewölbe" mit "milchweißem, durchscheinendem opalähnlichem Eise" als einer der Ersten. Er war mit dem damals sehr angesehenen Leopold von Buch dorthin gewandert, kurz vor seiner Südamerika-Reise. Der Abenteurer und Alpinist Joseph Kyselak betitelte die Eiskapelle 1825 als "die merkwürdigste Naturschönheit vielleicht in der ganzen Welt".

Schon Alexander von Humboldt hatte die Höhle 1797 besucht.
Schon Alexander von Humboldt hatte die Höhle 1797 besucht. © imago images / Artokoloro

"Es war schon immer ein magischer Ort an der Watzmann-Ostwand", sagt Fegg. Die imposante Wand mit ihren fast 1800 Metern Höhe habe seit jeher Künstler und Gelehrte angezogen.

Bis Mitte der 1970er Jahre wurde der natürliche Schneekegel auf der Eiskapelle, der sich aus Lawinen speiste, sogar als Skipiste für Slalomrennen genutzt. Rosi Mittermaier, Toni Mark und andere Skirennläufer sollen früher dort gefahren sein, erzählen Wolf und Fegg. Mit viel Aufwand wurde, so die "Salzburger Nachrichten", im Bereich der Eiskapelle dafür eine Piste zwischen Wiesen und Latschenfeldern präpariert.

Nationalparkleiter: "Wir warnen Wanderer eindringlich vor dem Betreten"

Die Premiere fand demnach am 20. Juli 1958 statt. Die Anreise für die Skiprofis wird nicht ganz einfach gewesen sein. Zur Eiskapelle gelangt man nur mit dem Schiff über den Königssee nach St. Bartholomä, von dort müssen Besucher eine Stunde zu Fuß laufen.

Akut bedeutet der Einsturz der Eiskapelle zusätzliche Gefahren für Bergsteiger, mahnt Nationalparkleiter Roland Baier laut Mitteilung: "Wir warnen Wanderer eindringlich vor dem Betreten der Reste der Eiskapelle, es herrscht im gesamten Bereich der Eiskapelle akute Steinschlaggefahr. Auch der letzte, noch stehende Eisbogen und die Eiswände am Rand können jederzeit zusammenbrechen." Vom Einsturz der Eiskapelle seien auch die Zustiege in die Watzmann-Ostwand betroffen.

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