Eine Frage, sieben Antworten: Wie wollen Sie dem Fachkräftemangel begegnen?

München - Der Arbeitsmarkt in Bayern bleibt auf Rekordkurs: So lag im Freistaat die Zahl der Arbeitslosen in diesem Sommer erstmals seit 1991 unter der Marke von 200.000 Personen.
Doch den hiesigen Firmen bereitet vor allem der Fachkräftemangel Sorgen – die Nachfrage nach Arbeitskräften ist nach wie vor hoch. "Die Unternehmen suchen händeringend nach geeignetem Personal, um die Aufträge erfüllen zu können", sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Aufgrund des Fachkräftemangels kommt es laut Brossardt in jedem zweiten Unternehmen zu Produktionsverzögerungen. "Und rund 30 Prozent der Unternehmen müssen Aufträge ablehnen. Das ist besorgniserregend", meint Brossardt. Der Fachkräftemangel droht also zum Wachstumshemmnis zu werden.
Mehr als 135.000 Stellen waren zuletzt als offen gemeldet, rund acht Prozent mehr im Vorjahr. Nach den Worten des vbw-Hauptgeschäftsführers sind vor allem Mitarbeiter im technischen Bereich besonders gefragt – Firmen suchen händeringend Ingenieure, Informatiker und IT-Facharbeiter.
Was können Wirtschaft und die Politik tun, um Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gut auszutarieren? Die Parteien haben ganz unterschiedliche Ansätze.
Georg Eisenreich (CSU), Digitalminister
In Bayern herrscht in weiten Teilen nahezu Vollbeschäftigung. Das ist ein großer wirtschaftspolitischer Erfolg.
Um den Bedarf an Fachkräften zu sichern, wollen wir das große Potenzial im eigenen Land nutzen. Die berufliche Bildung ist dabei genauso wichtig wie die akademische. Der Freistaat Bayern investiert daher massiv in die schulische, berufliche und akademische Bildung. Durch das Bayerische Fachkräfteprogramm sollen zudem Jugendliche ohne Ausbildung, Langzeitarbeitslose oder ältere Menschen qualifiziert werden. Unser Ziel sind über 100.000 zusätzliche Fachkräfte.
Mit einem Weiterbildungspakt mit Wirtschaft und Gewerkschaften stärken wir darüber hinaus die Nachqualifizierung. Auch die Chancen der Digitalisierung müssen noch viel besser genutzt werden. Ergänzend soll auf Bundesebene die Einwanderung von dringend benötigten qualifizierten Fachkräften mit beruflicher oder akademischer Bildung erleichtert werden. Ein Gesetz, das die Zuwanderung in unsere Sozialsysteme ermöglicht, lehnen wir als CSU ab.
Natascha Kohnen, Spitzenkandidatin der SPD

Bayern braucht Zuwanderung von Fachkräften. Deshalb ist es gut, dass das Einwanderungsgesetz jetzt auf den Weg gebracht wird. Wir haben das lange gefordert und jetzt endlich durchgesetzt. Das alleine reicht nicht. Denn nur noch jeder fünfte Betrieb bildet im dualen System aus. Deshalb setzen wir uns für eine Ausbildungspflicht ein. Betriebe ab zehn Mitarbeiter*innen, die nicht oder wenig ausbilden, müssen in einen Ausbildungsfond einzahlen. So beteiligen sie sich an den Ausbildungskosten. Bayernweit fehlen bereits heute rund 11.500 pädagogische Fachkräfte für unsere Kinder.
Mit dem Kita-Ausbau wird sich diese Zahl weiter erhöhen. Nötig ist daher auch ein Sofortprogramm für mehr Erzieher*innen, denn unsere Kinder können nicht warten.
Ludwig Hartmann, Spitzenkandidat der Grünen

Der Mangel an Fachkräften in so unterschiedlichen Berufen wie dem Bäcker- oder Klempnerhandwerk, der Altenpflege oder bei Luft- und Raumfahrtingenieuren erscheint auf den ersten Blick als Luxusproblem einer florierenden Wirtschaft. Wenn aber Häuser nicht mehr gebaut werden, Kurzzeitpflegeplätze fehlen oder Unternehmen ihre Entwicklungsabteilungen verlagern müssen, spüren wir direkt die Folgen des wirtschaftlichen Booms.
Erste Gegenmaßnahme: Vorhandene Arbeitskräfte qualifizieren oder umschulen, auch wenn das manchmal anstrengend ist. Da haben wir noch Potenzial, denn auch bei einer Arbeitslosenquote von 2,7 Prozent sind das immer noch über 200.000 Menschen in Bayern ohne Beschäftigung. Klar ist aber auch: Wir brauchen Zuwanderung – aus der EU und aus anderen Ländern dieser Erde.
Dass die CSU-Regierung sich gegen die bundesweit gültige 3+2-Regelung für Geflüchtete in Ausbildung sperrt und afghanische Pflegehelfer in den Abschiebeflieger setzt, ist deshalb nicht nur menschenverachtend. Es ist auch dumm.
Andreas Niedermaier, Direktkandidat der Freien Wähler für den Bezirkstag im Stimmkreis Bogenhausen
Dem allgemeinen Fachkräftemangel müssen wir schon sehr früh, in der Schule, entgegentreten: Wir Freie Wähler fordern, dass möglichst alle Schüler, auch von weiterführenden Schulen, während ihrer Schulzeit ein Praktikum in einem Betrieb machen, um möglichst früh einen Einblick in die Unternehmen zu bekommen.
Im weiteren Weg halten wir einen Aspekt für zentral: die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Erworbene Bildungsabschlüsse müssen in beiden Systemen gleichermaßen anerkannt werden. An den Hochschulen haben wir das Problem, dass es immer noch zu wenige Studenten in den MINT-Fächern gibt.
Hier gilt es, die Weichen so zu stellen, dass sich dies in Zukunft ändert. Zudem brauchen wir ein Einwanderungsgesetz in Deutschland, um gezielt Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen zu können.
Julia Killet, Direktkandidatin der Linken im Stimmkreis Pasing
Der Fachkräftemangel hat unterschiedliche Ursachen. Erstens müssen die Fachkräfte gut bezahlt werden, dann ergreifen die Menschen die Berufe auch schneller. Außerdem können sich ärmere Menschen Bildung häufig nicht mehr leisten. Dafür brauchen wir eine Reform des Bafög. Wir brauchen mehr Studienplätze und bezahlte Ausbildungsstellen in hoher Qualität. Wer nicht ausbildet, sollte eine Ausbildungsumlage zahlen.
Wesentlich tragen die strukturellen Unterschiede zwischen Ballungsräumen und dem ländlichen Raum zum Fachkräftemangel bei. In Ballungsräumen sind die Mieten so hoch, dass sich Erzieherinnen und Erzieher Wohnungen dort nicht mehr leisten können. Auf der anderen Seite wird der ländliche Raum für junge Familien unattraktiver, weil hier kaum noch Schulen oder Krankenhäuser vorhanden sind. Diese Probleme sind bekannt und wurden durch die CSU-Regierung noch weiter verschärft.
Martin Hagen, Spitzenkandidat der FDP
Der Fachkräftemangel gefährdet den Wirtschaftsstandort Bayern. Die FDP fordert ein Maßnahmenpaket mit vier Kernpunkten.
Erstens setzen wir auf Bildung: Durch bessere frühkindliche Bildung, mehr Ganztagsschulangebote und individuelle Förderung wollen wir die Bildungschancen von Kindern aus sozial schwachen Familien verbessern. Wichtig ist auch die Stärkung der dualen Ausbildung sowie von Dort- und Weiterbildung.
Zweitens muss die Politik die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, um die Erwerbstätigkeit von Eltern zu erhöhen. Drittens müssen wir das Potenzial und die Erfahrung älterer Arbeitnehmer nutzen: Statt die Frühverrentung zu fördern, wollen wir einen flexiblen Übergang in den Ruhestand ermöglichen. Viertens brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, um qualifizierte Zuwanderung zu erleichtern.
Markus Plenk, Direktkandidat der AfD im Stimmkreis Traunstein

Durch verstärkte Ausbildung im Freistaat. In vielen EU-Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit gibt es zudem einen großen Anteil bereits gut ausgebildeter Menschen, die man mit Zusatzangeboten zumindest für ein paar Jahre anwerben könnte.
Eine Frage, sieben Antworten
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