Drohen nun Enteignungen? Wie es bei der Gassuche weitergeht

Unweit des Ammersees in Oberbayern soll Gas gefördert werden. Nach der Probebohrung muss sich im Labor zeigen, ob es sich für das Unternehmen lohnt. Vor Ort wächst derweil aber eine ganz andere Sorge.
Marco Hadem, dpa |
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Ob die Probebohrung nach Erdgas in Reichling am Ammersee erfolgreich war, wird derzeit noch im Labor analysiert. In der Gemeinde sorgt die mögliche Förderung aber weiter für viel Unruhe - dabei geht es auch um die Sorge vor möglichen Enteignungen. (Archivbild)
Ob die Probebohrung nach Erdgas in Reichling am Ammersee erfolgreich war, wird derzeit noch im Labor analysiert. In der Gemeinde sorgt die mögliche Förderung aber weiter für viel Unruhe - dabei geht es auch um die Sorge vor möglichen Enteignungen. (Archivbild) © Peter Kneffel/dpa
Reichling

In der wegen der Suche nach Erdgas bundesweit bekannt gewordenen Gemeinde Reichling im Ammersee wächst die Sorge vor möglichen Enteignungen. "Wenn die das durchziehen, wird es Enteignungen geben. Deshalb wächst hier schon mit jedem Tag die Sorge vor dem, was uns im nächsten Jahr erwartet", fasst Claudia Danner von der Bürgerinitiative Reichling-Ludenhausen die Stimmungslage zusammen. 

Worauf Danner anspielt, ist schon lange ein Thema in dem kleinen Ort unweit des idyllischen Ammersees. Nachdem jedoch im vergangenen September die von vielen Protesten begleitete Probebohrung unweit des Ortes offiziell abgeschlossen wurde, wachsen die Befürchtungen. 

Um die Gemengelage auch als Außenstehende verstehen zu können, muss man Folgendes wissen: Zwar ist der etwa 40 Meter hohe, rot-weiße Bohrturm schon seit Monaten wieder verschwunden. Für die dahinterstehende "Energieprojekt Lech Kinsau 1 GmbH" gilt dies aber keineswegs. Derzeit wird in einem Labor analysiert, ob sich wirklich wie vermutet in rund 3.400 Metern Tiefe unter der Gemeinde nennenswerte Mengen an förderfähigem Erdgas befinden. Das Ergebnis könnte im ersten Quartal 2026 veröffentlicht werden. Sollte dem so sein, wird in Reichling so schnell keine Ruhe einkehren. Im Gegenteil.

Wohin mit dem Gas? Bis zu 500 Millionen Kubikmeter vermutet

Das Unternehmen, das im Besitz der MRH Mineralöl-Rohstoff-Handel GmbH und von der Genexco GmbH ist, plant nach eigenen Angaben eine Förderung von Erdgas über zehn bis 15 Jahre. Es wird nach den ersten Untersuchungen eine Gasmenge von 400 bis 500 Millionen Kubikmetern vermutet, diese könnte den Bedarf von 10.000 bis 15.000 Haushalten decken. 

Und genau hier gibt es noch immer ein ungelöstes Problem, sozusagen ein Flaschenhals mit einem extrem großen Konfliktpotenzial: Denn wie das Gas vom Bohrfeld ins bayerische Gasleitungsnetz eingespeist werden soll, weiß derzeit niemand. Denkbar wären Leitungen zu den Anschlussstellen in Denklingen (rund 7 Kilometer entfernt), Landsberg (rund 17 Kilometer) oder Schongau (rund 15 Kilometer) - doch weder die anliegenden Privatgrundstück-Besitzer noch der Landkreis Landsberg am Lech wollen dafür freiwillig Flächen bereitstellen. 

Dieses Problem ist keineswegs neu - aber es wurde bisher eher ausgeblendet. Bereits Anfang September 2024 machte die Bürgerinitiative ihre Ent- und Geschlossenheit in der Frage in einem Brief an die Genexco Gas GmbH deutlich. Anwohner - darunter auch viele Landwirte - fürchten wegen der Gasförderung um ihre Heimat und die unweit der Bohrstelle gelegene Trinkwasserquelle der Gemeinde. Derzeit sind somit alle Grundstücke um den Bohrplatz nicht als Leitungskorridor verfügbar. Laut Danner liegen bisher auch keine finanziellen Angebote vor, um die Leitungen bauen zu dürfen. 

Abtransport per Lastwagen wäre möglich - aber teuer

Theoretisch denkbar wäre auch ein Abtransport per Lastwagen - dafür müsste das Gas aber erst verflüssigt werden. Diese Variante ist aber sehr kostspielig, langsam und aufwändig. Da hinter der Förderung am Ende wirtschaftliche Interessen stehen, dürfte diese Option wohl ausscheiden.

Rechtlich ist die Enteignungsfrage alles andere, als leicht zu beantworten. Tatsache ist, dass das Energieprojekt einen Rechtsanspruch nach Paragraf 20 des Energiewirtschaftsgesetzes hat. Laut hiesigem Wirtschaftsministerium wird hier auch der Netzanschluss geregelt. Anders als die Förderung des Gases sei dies nicht Sache des Bergrechts, das in der Vergangenheit - etwa beim Braunkohletagebau Garzweiler - Grundlage für Enteignungen war. 

Greenpeace: Bauliche Umsetzung entscheidend für rechtliche Frage

Aus Sicht der Umweltorganisation Greenpeace hängt die rechtliche Frage an der konkreten baulichen Umsetzung der Gasleitung: "Man kann das nicht klar beurteilen, wenn man nicht weiß, was für Pipelines das sein werden, wohin sie gehen und wie das geplant wird", sagte die Hamburger Rechtsanwältin Roda Verheyen. Sie appellierte an alle Eigentümer, sich im Fall der Fälle zu wehren, denn Artikel 14 im Grundgesetz schütze "rechtswidriger Inanspruchnahme", Enteignungen seien nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.

Saskia Reinbeck, Klimaschutzaktivistin von Greenpeace Bayern, forderte von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), sich für die Eigentumsrechte der Bauern starkzumachen: "Die Landwirte leiden schon heute unter den Auswirkungen der Erderhitzung. Ausgerechnet auf ihren Feldern Pipelines für den Abtransport von klimaschädlichem Erdgas verlegen zu wollen, ist an Zynismus kaum zu überbieten."

Enteignung kein Thema für das Wirtschaftsministerium?

Das Wirtschaftsministerium betonte auf Nachfrage, es habe sich mit "mit Fragen der Enteignung aus bergrechtlicher Sicht im vorliegenden Fall bisher nicht befasst". Dazu bestehe keine Veranlassung, da der Abtransport "nach unserer Einschätzung" nicht mehr der Gewinnung oder Aufbereitung zuzurechnen sei. "Auch im Hinblick auf etwaige Netzausbaumaßnahmen, liegen uns keine Informationen zu möglichen Enteignungen vor." 

Für das "Energieprojekt Lech Kinsau 1 GmbH" ist auf Nachfrage das Thema Enteignungen nicht von Relevanz. "Gegenwärtig konzentrieren wir uns auf die Auswertung der im Rahmen der Erkundungsbohrung gewonnenen Daten", teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Planung der Einspeisung ins Netz werde "aktuell nicht konkret diskutiert".

Wird es noch weitere Gasbohrungen geben?

Ungeachtet von Bohranalyse und Leitungsfrage beschäftigt die Menschen in der Gegend aber noch ein anderes Thema: Nicht weit entfernt vom Bohrplatz liegt noch bis Ende Juli 2026 eine Konzessionserlaubnis für das Gebiet "Lech-Ost" vor - ob hier aber wirklich auch gebohrt wird, ist nicht klar. Da die Genehmigung zur Probebohrung aber Mitte des Jahres ausläuft, wird in der Region mit Spannung erwartet, ob es einen Verlängerungsantrag gibt. Dieser liegt bisher jedenfalls nicht vor.

Für Claudia Danner und ihre Mitstreiter in Reichling geht es deshalb mit einem unguten Gefühl ins Jahr 2026. "Wir hängen hier in der Luft", sagte sie. Anfang Januar werde das Thema dann wieder angegangen. "Dann besprechen wir, wie es weitergeht. Für uns steht aber fest, wir geben nichts her."

Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

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