Drogen, Internet, Spielen: 50.000 Nürnberger sind süchtig!

Leistungsdruck, Armut und Einsamkeit treiben Menschen in Abhängigkeiten: Nur mit Prävention ist das Problem zu lösen, so Experten auf dem Nürnberger Suchtforum
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Leistungsdruck, Armut und Einsamkeit treiben Menschen in Abhängigkeiten: Nur mit Prävention ist das Problem zu lösen, so Experten auf dem Nürnberger Suchtforum

NÜRNBERG Die einen daddeln am Automaten, bis der Geldbeutel leer ist, andere hängen an der Flasche. Manche tun beides gleichzeitig und vernichten dabei noch eine Zigarette nach der anderen. Das Phänomen Sucht hat viele Gesichter. Vorsichtigen Schätzungen zufolge zählt allein Nürnberg 50000 suchtkranke Menschen – jeder Zehnte ist betroffen! Um neue Wege in der Prävention zu erschließen, tagten gestern Experten unterschiedlicher Fachrichtungen in der Wirtschafts-Fakultät der Uni Erlangen-Nürnberg.

„Sucht ist eine Volkskrankheit“, stellte Professor Felix Tretter von der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) klar. Der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm: Suchtkrankheiten verursachen in Deutschland jedes Jahr Kosten in Milliardenhöhe! Allein Alkoholiker schlagen mit etwa 20 Milliarden Euro Behandlungskosten zu Buche.

Sucht hat allerdings nicht immer etwas mit legalen und illegalen Substanzen zu tun: Neben dem Automatenspiel hat sich in den letzten Jahren vor allem bei jüngeren Menschen das Internet als Abhängigkeitsfalle entpuppt: Chat-Rooms, soziale Netzwerke und vor allem Online-Spiele wie „World of Warcraft“ fesseln Jugendliche vor dem Bildschirm, manche intensiver, als es ihnen guttut: „Wenn andere Lebensbereiche stark vernachlässigt werden, kann man von Sucht sprechen“, definiert Tretter.

Fachleute sprachen sich für Druckräume aus

Um Sucht zu bekämpfen, müssen Mediziner, Pharmazeuten, Psychologen und Pädagogen, wie auf dem Kongress in Nürnberg, eng zusammenarbeiten: „Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Tretter. Schließlich begünstigen auch gesellschaftliche Tendenzen wie Leistungsdruck, Armut und Vereinzelung die Ausprägung von Anhängigkeiten. Generell sei gegen vereinzelte „kontrollierte Exzesse“ (Tretter) nichts einzuwenden, etwa am Oktoberfest. Die Lust am Rausch sei ein menschlicher Wesenszug, politische Konzepte der Achtziger wie die „rauschfreie Gesellschaft“ daher eine Illusion.

Wenig hilfreich sei auch die Weigerung der Bayerischen Staatsregierung, Druckräume für Heroinabhängige freizugeben. Die Konsequenz seien immer neue Drogentote und herumliegende Spritzen auf öffentlichen Toiletten, bemerkte die Nürnbergerin Heidemarie Lux, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ärztekammer.

Egal, um welche Arten von Sucht es sich handelt: Erfolg verspricht nur Prävention. Hier müsse man „schon im Kindergarten ansetzen“, so Lux. Dank Schul-Projekten wie „Klasse 2000“ sei der Raucher- und Trinkeranteil der Jugendlichen in den letzten vier Jahren deutlich zurückgegangen.

Steffen Windschall

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