Der Bier-Krieg
Wer braut den stärksten Gerstensaft der Welt? Der fränkische „Schorschbock“ hat 40 Prozent Alkoholgehalt. Eine schottische Brauerei kontert mit 41 Prozent und dem Bier „Sink the Bismarck“
GUNZENHAUSEN Hätte jemand Georg Tscheuschner vor ein paar Jahren prophezeiht, dass er in Zukunft ein Starkbier mit 40 Prozent Alkoholgehalt brauen würde, er hätte es nicht geglaubt. „Ich habe nicht gedacht, dass das technisch überhaupt möglich ist“, sagt er.
Jetzt steht Tscheuschner in seiner Brauerei in einem Hinterhof – und erzählt wieder seine Geschichte, wie so oft in den vergangenen Wochen. Der Wettkampf um das „stärkste Bier der Welt“ hat den 41-Jährigen aus Gunzenhausen in Mittelfranken weltweit bekannt gemacht: Seit eine britische Zeitung von dem fränkischen Bier Wind bekam und „Schorschbräu blitzkriegs Scottish beerdrinkers“ titelte, konkurriert seine Brauerei „Schorschbräu“ mit den Schotten von „Brew Dog“ um den Weltmeister-Titel.
Ende 2009 brachte Tscheuschner den „Schorschbock“, mit 40 Prozent Alkohol auf den Markt. Zu diesem Zeitpunkt war das der potenteste Gerstensaft aller Zeiten. Und eigentlich nur eine Marketing-Idee, mit der Tscheuschner auf seine kleine Brauerei aufmerksam machen wollte.
Vor einigen Wochen aber zogen der Schotte James Watt und sein Team nach. „Sink the Bismarck“ heißt ihr Gebräu, ein Bier mit 41Prozent, der Name eine Anspielung auf das deutsche Kriegsschiff, das die britische Marine im Zweiten Weltkrieg versenkt hat.
In ein, zwei Monaten will Tscheuschner mit einer neuen Ausgabe des Schorschbocks dagegenhalten. „Ich will die Grenzen weiter verschieben“, sagt er. 42 Prozent sollen es dann sein. Auf Kriegsmetaphorik, der sich die Briten im Wettstreit mit den Deutschen gern bedienen, wird Tscheuschner aber verzichten. „Die finden das witzig, ich muss das nicht unbedingt haben. Ich will einen fairen Wettbewerb“, sagt der Braumeister. Doch er ist sich nicht so sicher, ob es den überhaupt gibt.
Denn Tscheuschner vermutet, dass die Schotten ihr Bier in Whiskey-Fässern lagern und sich durch die Rückstände im Fass der Alkoholgehalt des Getränks erhöht. Deshalb ließ er das Bier der Konkurrenz in einem Labor analysieren. Durch das Ergebnis fühlt er sich bestätigt. Die Wissenschaftler fanden im schottischen Bier Whiskey-Lactone, eine Verbindung von Säure mit Alkohol. „Außerdem spricht Watts in einem Interview vom ,Einfluss des Whiskeys’ auf sein Bier.“ Für Tscheuschner ein klares Indiz.
Malz, Hopfen, Hefe, Wasser: Mehr kommt bei Tscheuschner nichts ins Bier. Gebraut wird strikt nach dem Reinheitsgebot, Hopfen und Malz kommen aus der Region. Mit dem Starkbier, das Paulanermönche anno 1629 in München erstmals brauten, um mit dem kalorienhaltigen Getränk durch die Fastenzeit zu kommen, hat das Ganze aber nicht mehr viel zu tun. Der bernsteinfarbene Schorschbock ist mehr Schnaps als Bier. Er ist recht dickflüssig und süß, im Abgang lässt sich der Gerstensaft jedoch ganz deutlich erschmecken. Tscheuschner ist schließlich Fachmann.
Sein Diplom als Braumeister machte er in Weihenstephan. 1996 gründete er seine eigene Brauerei „Schorschbräu“ in seiner Heimat Gunzenhausen, von den 16000 Einwohnern kennt ihn wohl jeder. Zuerst produzierte er gängige Biersorten: Helles, Weißbier und so weiter. „Aber als kleine Brauerei muss man sich spezialisieren“, wurde Tscheuschner vor ein paar Jahren klar. Seine Idee: „Ich will eine Eigenschaft des Bieres in den Vordergrund stellen.“ Einige Brauereien produzieren extrem malzige Biere, andere extrem gehopfte – „und ich extrem alkoholische“, sagt Tscheuschner.
„45 Prozent sind das Ziel“
Über die Herstellung seines Schorschbräu will er nicht viel verraten. „Ich nutze das Eisbock-Verfahren. Wichtig ist eine Temperatur weit unter dem Gefrierpunkt. Und auf die Hefe kommt es an.“ Im Eisbock-Verfahren friert Tscheuschner sein Bier mehrmals ein, filtert es und taut es wieder auf. Dabei entfernt er jedes Mal das Eis, bis zum Schluss das hochprozentige Konzentrat zurückbleibt. Durch die reine Gärung, mit der normales Bier hergestellt wird, sind nur bis zu 16 Prozent möglich.
99 Euro kostet eine Flasche mit 0,33 Litern. Den hohen Preis rechtfertigt die aufwändige Herstellung. Für die braucht Tscheuschner ein Vielfaches der Zutaten. Rund neun Monate dauert die Produktion. Vor allem das erneute Herunterkühlen beansprucht viel Zeit. „Je höher der Alkoholgehalt, desto langsamer wachsen die Eiskristalle“, sagt Tscheuschner. Zum Vergleich: Normales Bier benötigt etwa acht Wochen.
Dann wird der Schorschbock in Keramikflaschen gefüllt, der Flaschenhals mit Siegellack verschlossen. Durch den hohen Alkoholgehalt ist der Schorschbock über Jahre haltbar. Und auf jedes Exemplar setzt der Braumeister seine Unterschrift.
Ganz ernst nimmt Tscheuschner den Konkurrenzkampf nicht. Auch seinen Konkurrenten aus Schottland dürfte der Bier-Krieg vor allem eines bringen: Aufmerksamkeit. Eines von Tscheuschners Interviews hat es sogar bis nach China gebracht.
Reich wird er mit dem Verkauf des Schorschbock aber nicht: Ein paar hundert Flaschen seiner hochprozentigen Biere hat Tscheuschner bislang abgesetzt. Jedes stellt er in einer limitierten Auflage von 1000 Flaschen her, doch diese Marke hat er bisher noch nicht erreicht. Eine Hand voll Restaurants aus Europa haben den Schorschbock als Aperitif auf ihrer Getränkekarte. Die meisten Exemplare gehen allerdings an Sammler. „Da gibt es schon ein paar Verrückte“, sagt Tscheuschner.
Den Hauptumsatz machen Tscheuschner und seine drei Mitarbeiter aber mit normalem Starkbier mit einem Alkoholgehalt von 13 bis 16 Prozent, das bis zu seiner Abfüllung in Stahltanks reift. Der Preis pro Flasche liegt zwischen vier und zehn Euro. „Das liefern wir nach Südamerika, China, Russland und Europa“, sagt Tscheuschner.
Außerdem gibt es seine Produkte im regionalen Getränkehandel zu kaufen, auch im Internet können Kunden bestellen. Inzwischen haben sogar einige Getränkeläden seine Biere im Sortiment – dank des Bier-Kriegs, durch den sie auf die kleine Brauerei in Franken aufmerksam geworden sind. „Da haben sich große Getränkehändler gemeldet, da ich hätte ich mich vorher gar nicht getraut, anzufragen“, sagt Georg Tscheuschner.
Ein paar Prozent sind noch drin, glaubt der bayerische Braumeister. „45 Prozent sind das Ziel“, sagt er. Dann will er aufhören, zumindest sagt er das jetzt. Aber wer weiß, was die Schotten gerade planen. Und so leicht will Georg Tescheuschner seinen Titel nicht hergeben. Der Bier-Krieg hat gerade erst begonnen. Christoph Landsgesell
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