Interview

Claudia Stamm: "Die Parteigrenzen verschwimmen zunehmend"

Claudia Stamm, einst Grünen-Abgeordnete im Landtag, wird jetzt Mitarbeiterin eines CSU-Politikers.
Natalie Kettinger
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Die ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen Claudia Stamm.
Die ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen Claudia Stamm. © IMAGO / ZUMA Wire

München - AZ-Interview mit Claudia Stamm: Die 51-Jährige war Landtagsabgeordnete der Grünen, trat 2017 aus und gründete ihre eigene Partei MUT. Sie ist die Tochter der CSU-Politikerin und ehemaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm.

AZ: Frau Stamm, Sie arbeiten bald für die CSU. Hat Ihre Mutter Sie am Ende doch noch von den Christsozialen überzeugt?
CLAUDIA STAMM: Nein - und ich arbeite auch nicht für die CSU, sondern für den Abgeordneten Hans Ritt. Mein Mann hat einmal gesagt, dass es in Zukunft gar nicht mehr so sehr um eine Partei, sondern um Personen gehen wird, die man unterstützt, weil Parteigrenzen verschwimmen. Daran muss ich gerade sehr oft denken.

Darum unterstützt Claudia Stamm nun Hans Ritt

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, just den Straubinger Hans Ritt zu unterstützen?
Der Hans gehört zum Freundeskreis meiner Mutter. Als er in den Landtag nachgerückt ist, hat er Mitarbeitende gebraucht und mich gefragt. Ich habe sehr gerne ja gesagt. Denn erstens finde ich es wichtig, dass auch Handwerkerinnen und Handwerker im Parlament vertreten sind - etwa ein Kaminkehrermeister und Energieberater wie Hans. Viele von denen, die dort sitzen, sind Akademiker oder Menschen, die direkt aus dem Hörsaal kommen. Dabei lebt ein Parlament von einer repräsentativen Mischung. Und zweitens ist es eine spannende Aufgabe, einen Abgeordneten zu unterstützen, der die Dinge kritisch hinterfragt.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Noch zu meiner Zeit im Landtag ist immer wieder eine Physikerin an mich herangetreten, die ein auf mich sehr innovativ wirkendes Projekt hatte, nämlich aufgeständerte Photovoltaikanlagen, unter denen man Lebensmittel anbauen kann. Es geht doch immer um den Widerstreit der Ressourcen, hier Erneuerbare Energie versus Lebensmittel. Da ist es wichtig, innovativ zu sein. Trotzdem hat es nie jemanden interessiert. Hans hat davon gehört und sofort einen Termin mit der Dame ausgemacht. Ein weiteres Beispiel ist der Fall des angeblichen Parkhausmörders Bence Toth, für den ich mich schon früher eingesetzt habe und der in der JVA Straubing einsitzt. Hans wollte sich gleich mit ihm treffen, weil es in diesem Fall so viele Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten gibt.

"Es geht bei den Parteien eben nicht mehr um inhaltliche Unterschiede"

Was genau wird Ihre Funktion sein?
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Beraterin.

Sie waren früher bei den Grünen, sind ausgetreten, weil die Ihnen nicht links genug waren, und haben Ihre eigene Partei MUT gegründet. Wie passt das zum Engagement für einen CSU-Politiker?
Wie schon gesagt: Die Parteigrenzen verschwimmen zunehmend. Ein plastisches Beispiel dafür ist die aktuelle Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine. Und da kann man persönlich dafür oder dagegen sein, aber: Es geht bei den Parteien eben nicht mehr um inhaltliche Unterschiede, sondern darum, wer am lautesten schreit, wer sie am vehementesten einfordert. Diese Entwicklung war auch ein Grund dafür, dass ich bei den Grünen ausgetreten bin. Schon damals hatten die Grünen völlig unterschiedliche Werte, je nach dem, ob sie in der Regierung oder der Opposition waren. Umso wichtiger sind Menschen, die etwas bewegen wollen.

Gibt es MUT eigentlich noch und sind Sie noch dabei?
Ja, die Partei gibt es noch und ich bin auch noch Mitglied - aber völlig passiv.

Stamm liebäugelt nicht mit einem Eintritt in die CSU

Und trotzdem werden Sie demnächst Wahlkampf für Herrn Ritt machen?
Nein. Ich werde ihn in seiner parlamentarischen Arbeit unterstützen, aber keinen Wahlkampf machen. Das ist Mitarbeitenden aus dem Büro eines Abgeordneten nicht erlaubt, weil sich dann Parlaments- und Parteiarbeit vermischen würden, was nicht stattfinden sollte - was man dann ehrenamtlich tut, ist noch mal eine andere Sache.

Mit einem Eintritt in die CSU liebäugeln Sie aber nicht, oder?
Nein. Aber meine Leidenschaft ist nun mal die Politik. Und ich liebe Wahlkampf!

Zieht es Sie also doch wieder auf die politische Bühne?
Ich wollte eigentlich immer in die zweite Reihe, in die Politikberatung oder die Pressestelle einer NGO. Vielleicht bin ich jetzt bei meinem Traumjob angekommen. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt!

Wann soll es losgehen?
Im Prinzip sofort.

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12 Kommentare
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  • der gute tscharlie am 17.09.2022 18:21 Uhr / Bewertung:

    Die SPD ist linkspopulistisch, die Grünen sind ökopopulistisch, die FDP ist liberalpopulistisch, die CSU christpopulistisch. Alle zusammen agieren sie wie eine Blockpartei, die die Nachfolge der SED übernommen hat.
    Eine echte Alternative gäbe es. Aber die Deutschen wählen sie nicht, weil es ihnen das Staatsfernsehen so sagt.

  • Der wahre tscharlie am 18.09.2022 14:48 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von der gute tscharlie

    Nette Werbung für die AfD, aber leider ist sie, um dein Synonym zu benutzen, nationalpopulistisch.
    Und aus meiner Erfahrung ABSOLUT unwählbar. Und dazu brauche ich kein "Staatsfernsehen", ich muß mir nur anhören oder lesen, was die verschiedensten Politiker "geistreiches" von sich geben.

  • Der wahre tscharlie am 16.09.2022 15:56 Uhr / Bewertung:

    Schon vor Jahren wurde festgestellt, dass es die klassischen Volksparteien nicht mehr gibt. Auch wenn sich so manche noch so geben.
    In Zukunft wird es Zweckbündnisse geben. D.h.der Wähler entscheidet, welche Partei nutzt mir mit welchem Thema am meisten.
    Nur weil z.B. der Vater, der Opa, die Oma schon immer CSU gewählt haben, wird die Partei nicht weiterhin gewählt. Das trifft auch auf die SPD zu, die mal eine klassische Arbeiterpartei war. Aber die Arbeitswelt hat sich inzwischen radikal verändert. Also müssen sich auch die Parteien ändern, bzw. ihre Programme.
    Und da der Klimawandel uns alle betrifft, sind natürlich die Grünen groß im Rennen.
    Und bei den ewiggestrigen Parteien besteht das Programm eigentlich nur aus Angst schüren, und zwar vor Veränderung.

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