Bayerischer Flüchtlingsrat: "Dobrindt muss gehen!"
Schreck für Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU): Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat in einem Eilverfahren die Zurückweisung einer asylsuchenden somalischen Familie in der Grenzstadt Frankfurt/Oder als rechtswidrig bezeichnet. Bricht mit der Gerichtsentscheidung in Berlin bereits nach wenigen Wochen ein wichtiger Pfeiler der neuen CSU-Migrationsbegrenzungspolitik weg?
So jedenfalls sehen es Linke und Flüchtlingshelfer, doch ihr Jubel kommt möglicherweise zu früh. Ein Tiefschlag ist die Entscheidung für Dobrindt gleichwohl, denn das Berliner Gericht zerpflückte dessen juristischen Rechtfertigungspfad für die Zurückweisung Asylsuchender an den Grenzen ziemlich gründlich.
Mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung könne das am 7. Mai eingeführte Grenzregime nicht begründet werden. Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach dem EU-Vertrag hätte Deutschland verpflichtet, mit den EU-Organen und den betroffenen Nachbarstaaten "ernsthaft nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen". Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte damit die Zweifel, die gegen die Grenzpolitik der neuen Bundesregierung von Beginn an geäußert wurden.
Dobrindt setzt auf das Hauptsacheverfahren
Dobrindt sieht sich zunächst nicht veranlasst, Abstriche an den Weisungen an die zuständige Bundespolizei vorzunehmen und setzt auf das vor dem Verwaltungsgericht Berlin laufende Hauptsacheverfahren. Da freilich scheinen die Karten des Bundes auch nicht gut zu sein. Die Zurückweisungen an der Grenze und die Rückführung von Flüchtlingen nach Polen würden sich "in der Hauptsache mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen", stellten die Richter in Aussicht.

Um das zu verhindern, will der Bund in den Begründungen noch nachlegen. Zum Beispiel, indem er die Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit der Bundesrepublik, die bei Fortführung der bisherigen Einreisepraxis bestehe, besser mit Fakten und Argumenten unterfüttert.
Für das Innenministerium ist es nur ein Einzelfall
Außerdem betont man im Hause Dobrindt, dass ja nur ein "Einzelfall" entschieden worden sei. Das VG Berlin verleiht diesem Fall in seiner Pressemitteilung allerdings generelle Bedeutung: "Zurückweisungen bei Grenzkontrollen sind rechtswidrig."
Natürlich gibt es Juristen, die das komplett anders sehen. Der Oldenburger Staatsrechts-Professor Volker Boehme-Neßler zum Beispiel hält die Entscheidung des VG Berlin schlichtweg für "falsch".
Staatsrecht-Professor über die erklärte Notlage
Die von Dobrindt behauptete "Notlage" bestehe darin, "dass Deutschland insgesamt die unkontrollierte Migration nicht mehr bewältigen kann", sagte der Rechtslehrer dem Sender "euronews". Das spüre man auf allen Ebenen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellt den "Schutz der inneren Sicherheit" in den Vordergrund.
Das denkt der Flüchtlingsrat in Bayern
Der Bayerische Flüchtlingsrat ist bereits auf der Suche nach zurückgewiesenen Flüchtlingen, denen man auf der Grundlage der Berliner Entscheidung helfen kann. Noch sei man nicht fündig geworden, teilte eine Sprecherin mit. Der Richterspruch sei auf jeden Fall eines "positives Signal" und für die Arbeit der Flüchtlingshelfer "Gold wert".
In einer Mitteilung sagt Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat: "Ein Bundesinnenminister, der kalkuliert das Recht bricht, disqualifiziert sich selbst für sein Amt: Dobrindt muss gehen!"