Baum-Kahlschlag nur wegen dieses Vogels?
Krise um Rodungen am Wöhrder See: Bürger laufen Sturm. Das Umweltreferat prüft die Vorwürfe. Es gibt schon erste Anzeigen
NÜRNBERG „Kahlschlag! Verstümmelung! Zumutung!“ Das muss sich derzeit das Wasserwirtschaftsamt täglich anhören. Der Grund: das Kettensägen-Massaker am Wöhrder See. Am Nordufer und auf einer Insel im Süden des Sees wurden rund 100 Bäume gefällt. Für Jogger und Spaziergänger an Nürnbergs beliebtestem Naherholungsgebiet ist das ein Schock. Ein Grund der Aktion ist der Raubvogel Kormoran, der den Teichwirten die Karpfenteiche leerfrisst. Die Fällungen halten Tierschützer allerdings für völlig sinnlos.
Angelika Weikert, Nürnbergerin und Landtagsabgeordnete der SPD, ist entsetzt. Sie treibt regelmäßig auf der Promenade Sport und sagt: „Man könnte weinen über so viel Zerstörungswut!“ Weikert fordert eine Stellungnahme der zuständigen Behörden zu den scheinbar aus dem Ruder gelaufenen Rodungen. Die Regierung Mittelfranken hat das Wasserwirtschaftsamt angewiesen, die Brutstätten der Kormorane zu zerstören. Für „völlig sinnlos“ hält das Markus Gierisch vom Landesbund für Vogelschutz: „Noch nie ist ein Kormoran vom Wöhrder See zum Aischgrund geflogen.“ Das Jagdrevier des Kormorans sei die Pegnitz, die Regnitz – und der Zoo, wenn dort täglich die Wildvögel gefüttert werden: „Da kann man die Uhr danach stellen.“ Außerdem wird sich der Kormoran neue Nistplätze suchen. „Dann kann man nächstes Jahr wieder 80 Bäume fällen“.
Für Wolfgang Dötsch vom Bund Naturschutz war der Kahlschlag ein massiver Eingriff „in eines der artenreichsten Gebiete Nürnbergs. Die Ufergehölze sind hoch sensibel. Es hat damit x-fach mehr Vogelarten betroffen“.
Wüste Beschimpfungen gegen das Wasserwirtschaftsamt
Die öffentliche Wut richtet sich gegen Josef Keckl. Er ist der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes. Wüste Beschimpfungen von Bürgern gehen bei ihm ein. „Da geht einiges unter die Gürtellinie“, sagt er und betont: „Die Regierung hat das angeordnet.“ Die rechtfertigt die Fällungen so: „Viele Bäume waren durch den aggressiven Vogel-Kot schwer beschädigt oder abgestorben.“ Vogelschützer Gierisch hält dagegen: „Viele alte und noch gesunde Bäume sind regelrecht kaputtgeschnitten worden.“
Ein weiterer Grund für die Fällungen war die Sicherheit der Flanierer. Sie sollten vor herabfallenden Ästen geschützt werden. „Diese Aktion war im Detail mit dem Artenschutz und dem Umweltamt abgesprochen worden“, sagt Keckl.
Das verschandelte Ufer beleidigt sein Auge nicht: „In ein paar Wochen treiben die Weiden wieder aus. Zudem hätten die Stümpfe sogar eine neuen Nutzen: Auf Wunsch von Artenschützern sollen sie nun Rückzugsgebiet für Fledermäuse und Kleintiere werden.
Viele Nürnberger aber sind nur noch wütend. Einige haben gar Anzeige erstattet. Ein Grund: Es verstoße gegen das Naturschutzgesetz, wenn langjährige Brutplätze zerstört werden. Auch Nürnbergs Umweltreferent Peter Pluschke (Grüne) ist „nicht froh über das, was passiert ist“. Heute hat er einen Termin mit Wasserwirtschaftsamt-Chef Josef Keckl. Thema: das Kettensägen-Massaker. M. Pfefferer
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