Anti-AfD-Sticker gegen Müllermilch: Bayerns Händler sehen Grenze überschritten

Aktivisten bekleben derzeit Joghurts und Milchprodukte mit Anti-AfD-Stickern. Der Handelsverband Bayern verurteilt die Aktion scharf. Was sich dahinter verbirgt.
von  Alexander Spöri
"Alles AfD oder was?" Mehr als 90.000 Unterstützer haben diese Sticker laut Campact bereits im Internet bestellt.
"Alles AfD oder was?" Mehr als 90.000 Unterstützer haben diese Sticker laut Campact bereits im Internet bestellt. © Screenshot Campact

Auf der Kampagnenplattform Campact läuft seit einiger Zeit eine umstrittene Aktion gegen den Molkereikonzern Müller. "Jetzt mit AfD-Geschmack" steht auf Stickern, die Aktivisten bundesweit auf Produkte von Weihenstephan, Müllermilch und Landliebe kleben. Supermarkt-Besitzer und Händler reagieren empört.

Mehr als 90.000 Unterstützer haben laut Campact die Wapperl bereits bestellt. Die Organisation verschickt sie kostenlos und liefert sogar eine Anleitung zum Gebrauch mit: "Nimm die Sticker in den Supermarkt mit und klebe sie auf Müller-Produkte im Kühlregal."

Die Botschaft dahinter: "Wer zu Müller-Produkten greift, unterstützt einen Milliardär, der Rechtsextreme salonfähig machen will", heißt es auf dem Internetauftritt.

Kritik an Näheverhältnis des Milliardärs Theo Müller zur AfD-Chefin Alice Weidel

Hintergrund ist das Näheverhältnis zwischen dem 85-jährigen Multimilliardär Theo Müller und AfD-Chefin Alice Weidel. Die Politikerin sei eine "Freundin", sagte der Unternehmer der "Neuen Zürcher Zeitung" 2024. "Sie wohnt in der Nähe und kommt öfters zu Besuch." Bei den Bayreuther Festspielen 2025 ließ Müller sich öffentlich mit Weidel auf einem Foto ablichten.

AfD-Chefin Alice Weidel neben dem Milliardär Theo Müller in Bayreuth.
AfD-Chefin Alice Weidel neben dem Milliardär Theo Müller in Bayreuth. © picture alliance

Die Folgen des Online-Stickeraufrufs zeigen sich bereits: Wie der Bayerische Rundfunk berichtete, wehrt sich ein Edeka-Inhaber in Würzburg mit Plakaten gegen die "Zerstörungswut von Weltverbesserern". Beklebte Produkte könnten nicht mehr verkauft werden, sagt er.

"Nur ein paar Sticker?": Handelsverband Bayern verurteilt Protestaktion

Auch der Handelsverband Bayern (HBE) reagiert verärgert. "Nur ein paar Sticker?", fragt Sprecher Bernd Ohlmann im Gespräch mit der AZ. "Fragen Sie mal die Deutsche Bahn nach Fußballstickern. Fragen Sie mal die Kommunen wegen Aufklebern auf Verkehrsschildern. Es ist sehr aufwendig, sie zu entfernen."

Ohlmann will nicht missverstanden werden: "Ich bin gegen die AfD und sich gegen Rechtsextremismus sowie Faschos einzusetzen, ist wichtig – aber das ist doch der falsche Weg."

Die Ware gehöre den Kaufleuten, und denen drohe letztlich ein Minusgeschäft. "Ja, Herr Müller macht die AfD salonfähig, aber ein Viertel der Deutschen macht die mittlerweile auch salonfähig. Sollen die künftig alle mit einem Sticker gekennzeichnet werden?"

IHK München: "Supermarkt ist dafür nicht der richtige Ort"

Florian Reil von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in München kritisiert die Protestaktion genauso. "Ein Supermarkt ist nicht der Ort, um einen politischen Streit auszutragen", sagt er der AZ. "Das ist keine öffentliche Meinungsplattform, sondern ein Geschäft, in das Leute zum Einkaufen gehen."

Reil verweist auf die Supermarkt-Besitzer: "Der Händler ist betroffen, aber hat letztlich mit der eigentlichen Sache gar nichts zu tun. Der politische Raum wäre für solche Diskussionen der richtige Ort."

Polizei rät von Teilnahme ab

Ein Sprecher aus dem Polizeipräsidium München warnt eindringlich vor rechtlichen Konsequenzen: "Wir raten von solchen Aktionen ab, denn sie können sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich relevant sein."

Die Polizei prüfe in solchen Fällen Straftatbestände wie Beleidigung, Verleumdung und Verstöße gegen die Lebensmittelinformationsverordnung sowie das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch.

Rechtliche Grauzone

Streng genommen bewegen sich Aktivisten in einer juristischen Grauzone. Weil die Sticker ablösbar sind, liegt oft keine Sachbeschädigung vor – das Produkt wird nicht dauerhaft beschädigt.

Es könnte aber eine sogenannte Besitzstörung vorliegen, sagt Rechtsanwältin Jessica Flint von der Würzburger Kanzlei Jun Legal in einem auf Youtube veröffentlichten Video. Marktinhaber könnten demnach ein Hausverbot erteilen und unter Umständen auch Schadensersatz fordern.

Das sagen die Discounter dazu

Die Rewe-Gruppe – mit ihren weltweit rund 3800 Supermärkten – lehnt derartige Boykott-Aktionen auf AZ-Anfrage ab. Dort sieht man die Verantwortung beim Kunden, "die durch ihre Nachfrage über das Sortiment entscheiden".

Prinzipiell stehe der Konzern für Vielfalt, Toleranz und ein offenes, demokratisches Deutschland. "Unsere Position machen wir auch in Gesprächen mit unseren Lieferanten, etwa der Geschäftsführung von Müller, sehr deutlich."

Kaufland – genauso wie Lidl Teil der Schwarz-Gruppe – teilt der AZ mit, man habe "keine Kenntnis von einer solchen Stickeraktion". Sollten Mitarbeiter jedoch Aufkleber entdecken, "werden diese direkt entfernt".

Verbandssprecher Ohlmann schlägt vor: "Man sollte sich andere Formen des Protests überlegen." Doch inzwischen hat die Aktion ohnehin längst Fahrt aufgenommen.

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