Wer hat die Macht auf unseren Straßen?
In Frank Plasbergs ARD-Sendung "hart aber fair" wird über ein angebliches Tabu diskutiert - erwartungsgemäß kontrovers.
Berlin - Rechte Populisten behaupten gerne, dass man über Banden- und Ausländerkriminalität nicht sprechen dürfe. Dass das nicht stimmt, hat zum Beispiel die Sendung "Hart aber fair" am Montagabend gezeigt, in der das vermeintliche Tabu das Thema war: "Mafia, Jugend-Banden und Clans: Wer hat die Macht auf unseren Straßen?"
Die Gäste:
Volker Beck (Innenpolitischer Sprecher der Grünen), Walter Wüllenweber ("stern"-Autor, recherchierte über den libanesischen Abou-Chaker-Clan), Beate Krafft-Schöning (Journalistin und Buchautorin), Gottfried Reims (Strafverteidiger) und Rainer Wendt (Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft).
Die Positionen:
"Vor lauter Sozialromantik dürfen wir nicht die Augen vor den wahren Problemen durch Ausländer verschließen", sagt Polizeigewerkschaftler Rainer Wendt. Er fordert eine bessere Ausstattung der Polizei, die Speicherung von Handydaten und eine Umkehr der Beweislast. Sprich: Clans müssen nachweisen, dass ihre Reichtümer auf legalem Wege zustande gekommen sind. Nicht umgekehrt. Wendt beklagt außerdem die wachsende Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten.
"Es gibt eine große Diskrepanz zwischen Tatverdächtigen und tatsächlich Verurteilten", relativiert Autorin Beate Krafft-Schöning, die seit Jahren im Bremer Clan-Mileu recherchiert. Sie spricht von "Volksverhetzung", sieht eine Stigmatisierung bestimmter ausländischer Familien. Viele Mitglieder polizeibekannter Clans seien in Wirklichkeit unschuldig. Und bei zwei Ermittlungsverfahren im Jahr gelte jemand schon als Intensivtäter.
Journalist Walter Wüllenweber findet zwei Verfahren pro Jahr schon recht intensiv - und erhält Beifall für diese Einordnung. "Wer sich mit der organisierten Kriminalität anlegt, wird in der Regel eingeschüchtert", berichtet er im Berliner Studio von seinen Recherchen für den "stern".
Oft könnten sich Zeugen, die bei der Polizei noch umfangreich ausgesagt hätten, vor Gericht plötzlich nicht mehr erinnern. Clans hätten inzwischen umfangreiche "Rechtsabteilungen": Anwälte, die ihre Mandanten längst nicht mehr in die Wertewelt des Landes, sondern in dessen Gesetzeslücken integrierten.
"Wir sollten uns davor hüten, in allen Migranten sofort potenzielle Straftäter zu sehen", verlangt der Grüne Volker Beck. Organisierte Kriminalität finde auch in Hinterzimmern von schwarzen Banken statt. "Wir sollten nicht wegschauen, aber differenzieren."
"Im Vergleich zu Nachbarländern geht es bei uns in Deutschland doch insgesamt sehr friedlich zu", glaubt Strafverteidiger Gottfried Reims, dessen Wille, sich in die Runde zu integrieren, während der gesamten 75 Minuten überschaubar bleibt. Er widerspricht vor allem dem "stern"-Journalisten Wüllenweber, macht eine "Hetze" gegen Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie aus. Deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt würden durch einseitige Artikel systematisch vernichtet.
Einschüchternde "Besuche" im Vorfeld von Prozessen? Sollten Zeugen der Polizei melden. Dann gebe es ein Ermittlungsverfahren. So einfach sei das.
Die Reaktionen:
Auf Twitter hat die Ausgabe für heftige Kontroversen gesorgt. "Diese Sendung gehört abgesetzt und nicht #wettendass. Was für eine elendige Hetze", empört sich zum Beispiel Userin "_Sue_T".
"Stammtisch heute getarnt als #hartaberfair", schimpft "1904Chris".
Andere loben dagegen den "Klartext", der im Studio gesprochen worden sei.
Auch "stern"-Herausgeber Andreas Petzold schaltet sich via Twitter in die Debatte ein: "Rechtsanwalt Reims arbeitet in seiner Freizeit offensichtlich als Sozialarbeiter in den Vierteln der Clans." Mit seiner treuherzigen Empfehlung, bedrohliche Besuche der Polizei zu melden, nehme Reims die ganze Runde auf den Arm. Und die Zuschauer auch.
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