Warum Puntigams Text gekürzt wurde und welche Fragen offen bleiben

Am Montag hat die AZ über den vom BR radikal gekürzten Priester-Sketch von Martin Puntigam berichtet. Jetzt nimmt der Sender ausführlich Stellung zu den Zensur-Vorwürfen des Kabarettisten und seiner Managerin.
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Martin Puntigam im Vereinsheim in Schwabing. Wer seinen Auftritt unzensiert sehen will, muss im April nochmal ins Lustspielhaus.
BR Martin Puntigam im Vereinsheim in Schwabing. Wer seinen Auftritt unzensiert sehen will, muss im April nochmal ins Lustspielhaus.

Am Montag hat die AZ über den vom BR radikal gekürzten Priester-Sketch von Martin Puntigam berichtet. Jetzt nimmt der Sender ausführlich Stellung zu den Zensur-Vorwürfen des Kabarettisten und seiner Managerin.

Unbeantwortet bleiben dennoch folgende Fragen:

In welcher Version wurde Puntigams Auftritt ursprünglich online gestellt? Denn hier spielt die Sendezeit ja keine Rolle.

Und: Wenn nur der Zeitfaktor für die Kürzungen verantwortlich war: Warum hat man dann aber mittendrin besonders harte, aber kurze Einzelsätze rausgeschnitten?


Stellungnahme vom BR:

Vereinsheim Schwabing Stellungnahme zum Zensur-Vorwurf der AZ Die Abendzeitung hat dem Bayerischen Rundfunk in ihrer Ausgabe von Dienstag, 26. März 2013, vorgeworfen „BR zensiert Kabarettisten: Kirchenwitze zu frech“. Hintergrund war der Auftritt des Kabarettisten Martin Puntigam in der Sendung „Vereinsheim Schwabing“. Sein Liveauftritt im Vereinsheim war in der Sendung – genau wie die Auftritte anderer Künstler – wegen Überlänge gekürzt worden. Seine Managerin äußerte daraufhin in der Abendzeitung den Verdacht, dies grenze an Zensur.

Der zuständige Redaktionsleiter Christian Faust: „Dass die Agentur und die AZ den Vorgang in die Nähe von Zensur-Gedanken rückt, ist nicht nachvollziehbar und aus Sicht der Redaktion haltlos und unangemessen. Das Vereinsheim ist offen, mutig und neugierig auf Junges und Neues. In Künstler- und Managementkreisen genießt das Vereinsheim allerhöchsten Respekt. Mut und künstlerische Vielfalt auch im Kontext von Nachwuchs- und Künstlerpflege wird allseits gelobt und gewürdigt. Übrigens auch von der Managerin Martin Puntigams.“

Bei der Vereinsheim-Ausgabe, die Mitte Februar aufgezeichnet wurde, gab es einen Überraschungsauftritt des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude. Unter anderem dadurch hatte die Sendung eine Überlänge von rund 20 Minuten. Die Sendezeit im Fernsehen beträgt immer 45 Minuten, also müssen regelmäßig viele Stellen der Sendung gekürzt werden. Künstler, die im Vereinsheim auftreten, wissen, dass sie mit Kürzungen rechnen müssen, falls ihr Auftritt über die vereinbarte Zeit hinaus geht. Der Auftritt von Martin Puntigam war rund drei Minuten zu lang, die Kürzungen wurden mit seiner Managerin besprochen, er selbst wurde per E-Mail darüber informiert. Umso überraschender, dass die Kritik von Managerin und Kabarettist jetzt, Wochen später, über eine Presse-Veröffentlichung kommt.

Auch andere Kabarettisten hatten zeitlich überzogen und mussten gekürzt werden. So fielen zum Beispiel bei Udes Auftritt in der Sendeversion rund zwei Drittel weg. Grundsätzlich ist beim Vereinsheim mit allen Künstlern ein Bearbeitungsrecht vereinbart, denn es kommt häufig vor, dass die Liveauftritte zu lang sind. Alle Schnitte unterliegen grundsätzlich der redaktionellen Verantwortung. Bei Martin Puntigam wurde vor allem am Anfang und am Ende geschnitten, die gesendete Version des Auftritts war ebenso kirchenkritisch wie die des Liveauftritts. „Die Nummer ist meiner Ansicht nach in keinster Weise verfälscht“, sagt auch Vereinsheim-Moderator Hannes Ringlstetter.


Martin Puntigam (betroffener Kabarettist):
„Ich war sehr erfreut über die unkonventionelle und unkomplizierte Zusammenarbeit und habe mir gedacht: ,schau, der als kreuzkatholisch verrufene BR hat wenigstens für die Zeit um Mitternacht eine mutige Vorhut, immerhin’. Ich habe dann im Vertrauen, dass das, was im TV-Set bleiben sollte, sogar fast ganz normal wie im Theater gespielt – und zwar mit all den ordentlichen Witzen, die ich allerdings als Realist so gesetzt habe, dass man sie fürs Fernsehen
leicht herausschneiden kann. Dass dann so wenig übriggeblieben ist, und dass aufgrund derartig antimoderner Zensurmaßnahmen der übergeordneten Stelle nur ein so kleiner Torso zur Ausstrahlung kam, war dann doch ernüchternd, obwohl die zerknirschte Redaktion schon vorgewarnt hatte. Aber immerhin: Wenn ein erster Schritt einmal gemacht ist, dann folgen in der Regel weitere: Der abgelaufene Papst ist schon im Austragstüberl, der laufende wird mithelfen, die katholische Kirche bei uns noch unbedeutender zumachen. Und irgendwann wird es dann auch im deutschsprachigen Raum im TV echte Satire geben, wie sie in Groß Britannien seit Jahrzehnten üblich ist. Und darauf Freude
ich mich, denn ich bin guter Dinge, das wahrscheinlich noch erleben zu dürfen."


Luise Kinseher (Nockherberg-Bavaria): „Wenn ich mit dem BR zu tun habe, erwarte ich mir vor allem Offenheit. Aber viele Redakteure machen schon eine Vorzensur im Hirn, weil es ihnen an Courage mangelt, wenn mal was gesendet wird, was anecken könnte. Denn dann gibt’s viel Post, die geht zum Vorgesetzten und vielleicht sogar bis zum Intendanten. Dabei wäre es doch gut, mit dem Kabarettisten zu Reden, auch offen Kritik zu äußern, aber dann eben auch die Courage haben, etwas zu senden, was nicht nur ach-wie-lustig-lustig ist. So entsteht halt nur Mainstream, das Interessante gilt schnell als nicht sendefähig. Und was wegen vorauseilender Selbstzensur bei Redakteuren alles an Sendungen gar nicht erst entsteht, ist wirklich schade.“

 



Till Hofmann (Betreiber des Vereinsheims):
„Natürlich muss man kürzen, wenn die Sendezeit zu knapp ist. Und da wurde auch zwischen BR, Puntigam und seinem management geredet. Aber wenn natürlich einzelne Sätze in der Mitte rausgenommen werden und auch noch die, die besonders hart sind, dann wird es wirklich brisant. Und nach dem Papst-Rücktritt war ja im BR sicher die Direktive: Ganz vorsichtig bleiben! Ich weiß natürlich nicht, wer bei denen da was ansagt. Aber die müssen sich da mal frei machen! Keine Vorzensur im Kopf!“

 

 



 

 

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