TV-Kritik: So war der "Tatort" aus Dortmund

Als Kenner der „Tatort“-Trends und -Traditionen weiß der „Tatort“-Drehbuchautor: Man wird ihn am Tempo und Theaterdonner amerikanischer Krimiserien messen. Und wenn er seinen Nachwuchskommissaren nicht sämtliche Zwangsneurosen abendländischen Familienlebens um die Ohren haut, dann haben die Neuen, ob Latzhosen-Weichei, Single-Tussi oder traumatisierter Witwer, keine Chance, sich den Karrierepfad durch die Verbrecherwelt mit der Machete freizuhauen.
Die neuen Dortmunder Kommissare Faber (Jörg Hartmann) und Kollegin Bönisch (Anna Schudt) glauben nach mehreren Mädchenmorden, einem Filz von Kinderporno-Päderasten auf der Spur zu sein. Sie durchpflügen ihre anrüchigen Internet-Schauplätze mit dem abgründigen Zynismus der Kollegen von der Sitte. Der Umgangston ist gereizt und auf Lauerstellung stilisiert – als bewegten sich nicht Menschen, sondern Marionetten in einem Schaukasten der Reaktionstests und den Licht-und-Schatten-Spielen der erstarrten Emotionen (Buch: Jürgen Weber, Regie: Dror Zahavi, ARD/WDR).
In die Ermittlungsnetze sind die Privatgefühle des gesamten Teams hineingestrickt. Bönisch nutzt die Dienste eines Callboys, die Assistentin wird vom Assistenten schwanger. Und der Zuschauer muss sich jedesmal ein Stück Lebensgeschichte des Kommissars dazustricken, um den richtigen Schmerzpunkt seiner Stimmungslage zu erahnen. Dieses Mentalitätsspiel um Psychologie und Motive in getarnten Internet-Partnersuch-Experimenten ist in seinen Verwirrungen mühsam und auf die Dauer nur mäßig spannend. Trotz hochdramatischem Schauspieler-Einsatz das Fazit: zu viel Choreografie, zu viel Kunst und zu wenig Krimi