"Tatort"-Jubiläum: Rekorde, Pleiten und verbotene Früchte

Am Sonntag läuft die 900-ste Tatortfolge über die Fernsehbildschirme. Zeit für einen kurzen Rückblick: Wie alles begann, die Kommissare und Quoten.
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Der Startschuss: Kommissar Trimmel (Walter Richter, r.) ermittelt in "Taxi nach Leipzig"
NDR Der Startschuss: Kommissar Trimmel (Walter Richter, r.) ermittelt in "Taxi nach Leipzig"

Fast hätten die Österreicher dem "Tatort" das Jubiläum versaut. Aber zum Glück sind deutsche Krimifreunde sehr erfahren darin, über kleinere Fehler hinwegzusehen. Nach (über) 900 Folgen der sonntäglichen Institution keine Wunder.

Berlin - Eigentlich ist das Jubiläum gar kein Jubiläum: "Zirkuskind", Ulrike Folkerts 59. Auftritt in der Rolle der Ludwigshafener Kommissarin Lena Odenthal am kommenden Sonntag (16. Februar, 20.15 Uhr), ist laut ARD offiziell die 900. Folge der "Tatort"-Reihe. Wie die Statistiker von "Tatort-Fundus.de" nachgerechnet haben, ist es aber eigentlich die 913. Ausgabe.

111 Gründe, "Tatort" zu lieben, können Sie hier nachlesen

Grund sind die sogenannten "Österreich-Tatorte": Der Österreichische Rundfunk (ORF) produzierte zwischen 1985 und 1989 insgesamt 13 eigene Filme außerhalb der Gemeinschaftsproduktion mit der ARD. Diese Folgen waren in der Erstausstrahlung nur in Österreich zu sehen und wurden deshalb nicht offiziell mitgezählt. Sei's drum. Allzu genau darf man es als Zuschauer beim "Tatort" eh nicht nehmen, wie ein Blick in die Geschichtsbücher verrät.

Wie alles begann

Die erste Folge im Jahr 1970 war eigentlich gar kein "Tatort". Der vom NDR produzierte Film "Taxi nach Leipzig" mit Kommissar Paul Trimmel (Walter Richter) war bereits fertiggestellt und wurde kurzerhand zum Auftaktfilm der Reihe gemacht. Die ARD hatte es nämlich plötzlich ziemlich eilig, als man aus der "Bild"-Zeitung vom 3. August 1968 erfuhr, dass das ZDF ab Januar 1969 mit einer Krimisendereihe unter dem Titel "Der Kommissar" starten wolle.

Während der ersten Jahre folgten deshalb andere Sendeanstalten dem Beispiel des NDR und zeigten Filme, die ursprünglich gar nicht als "Tatort" geplant waren unter dem Deckmantel des neuen Formats. Von einer einheitlichen Länge war man damals deshalb auch weit entfernt, manche Krimis dauerten bis zu zwei Stunden. Erst im Laufe der 1980er Jahre etablierte sich eine Laufzeit von etwa 90 Minuten.

Die Kommissare

Schon damals zeigt sich die ARD wenig zeitgemäß und tat sich mit Änderungen im Ablauf ungemein schwer. Waren Frau und Mann ab 1958 gesetzlich gleichberechtigt, hielt die Emanzipation beim "Tatort" erst 20 Jahre später Einzug. 1978 war Nicole Heesters die erste Kommissarin, die auf Geheiß des SWR in Mainz ermittelte. Im ostdeutschen Gegenstück "Polizeiruf 110" hatte bereits 1971 mit Schauspielerin Sigrid Göhler eine Frau ihren Dienst geleistet.

Rekordermittler sind die Hauptkommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr (Miro Nemec und Udo Wachtveitl) aus München. In 66 Einsätzen ermittelte das Team des Bayerischen Rundfunks aus München. Es folgen die Kriminaler aus Ludwigshafen und Köln mit derzeit 58 Fällen; Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) sowie das Duo Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) teilen sich damit gemeinsam den zweiten Platz.

Die Quotenkönige

Der erfolgreichste "Tatort" kommt aus Hamburg - Til Schweiger hat allerdings nichts damit zu tun. 15,86 Millionen Zuschauer sahen 1992 "Stoevers Fall" mit Manfred Krug und Charles Brauer als Hauptkommissare Stoever und Brockmöller. Bemerkenswert: Die Quoten-Top-5 stammen alle aus dem Jahr 1992. "Experiment" mit 15,29 Mio. Zuschauern (ebenfalls mit Krug und Brauer), "Tod eines Wachmanns" (14,26 Mio./ Lüttge und Behrendt), "Der Möder und der Prinz" (14,09 Mio./ Lüttge und Behrendt) und "Verspekuliert" (13,66 Mio/ von Hassel).

Erst an sechster Stelle folgen mit Thiel und Boerne (Jan Josef Liefers/ Axel Prahl) die Helden der Neuzeit. 12,99 Millionen Zuschauer schalteten am 24. März 2013 ein. Die beliebten Münsteraner übertrumpften damit Til Schweigers Debüt-Folge "Willkommen in Hamburg" vom 10. März 2013, die 12,57 Millionen Menschen sehen wollten.

Prominente Gastauftritte

"Gib dem Kaninchen eine Möhre extra! Es hat uns das Leben gerettet... Tschüss!" In der Liste der skurrilsten Promi-Auftritte steht der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts mit seinem Gastspiel in "Habgier" 1999 unangefochten auf Platz eins. Überhaupt: Der Einsatz von Fußballgrößen im "Tatort" gehört eigentlich verboten. War Kaninchenfreund Vogts wenigsten noch unfreiwillig komisch, geriet der 2011er Fall "Im Abseits" zur Fremdschäm-Farce: DFB-Chef Theo Zwanziger, Bundestrainer Jogi Löw und Team-Manager Oliver Bierhoff boten darin ihr gesamtes schauspielerisches Talent auf. Es nutzte allerdings alles nichts: Der Film um einen Mord im Fußball-Milieu gehört zu den peinlichsten Tiefpunkten in der Krimi-Historie.

Weitere Stars, die im "Tatort" irgendwie ziemlich fehl am Platz waren, sind der mittlerweile verstorbene Modezar Rudolph Moshammer und seine Hündin Daisy ("Blaues Blut", 2000), Dieter Bohlen ("Moltke", 1988) und Udo Lindenberg ("Kneipenbekanntschaften", 1974). Außerdem gaben sich in den letzten Jahren unter anderem Schlagersänger Roland Kaiser, Boxer Arthur Abraham, Tagesthemen-Moderator Tom Buhrow oder auch Jörg Pilawa die Ehre.

Die Leichen im Keller

Sagenumwoben sind die sogenannten "Giftschrank-Folgen". Dabei handelt es sich um Fälle, die mit einem senderinternen Sperrvermerk versehen sind, sprich: die aus den unterschiedlichsten Gründen bis auf Weiteres nicht mehr wiederholt werden. Derzeit betrifft das sechs Folgen. "Wem Ehre gebührt" (NDR, 23.12.2007) zog damals den Zorn der alevitischen Gemeinde auf sich, die dem Film vorwarf, alte Vorurteile zu befeuern. Schon im Vorfeld hatte der Krimi eine politische Debatte losgetreten. "Der gelbe Unterrock" (SWF, 10.02.1980) wurde vom SWF schlicht und ergreifend als zu schlecht eingestuft. Außerdem bis auf weiteres gesperrt sind: "Der Fall Geisterbahn" (HR, 12.2.1972), "Mit nackten Füssen" (HR, 09.03.1980), "Tod im Jaguar" (SFB, 09.06.1996) und "Krokodilwächter" (SFB, 10.11.1996).

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