Tatort: Die Musik stirbt zuletzt im Ersten: Die Kritik zum Krimi

Mit seinem Luzerner Tatort "Die Musik stirbt zuletzt" stellt jetzt auch der Schweizer Regisseur Dani Levy die unter Männern bisweilen entscheidende Frage: "Wer hat den Längsten?".
Einen Film in einer Einstellung – also ohne Schnitt – zu drehen, damit experimentierte schon Hitchcock 1948. Und gerade erst (2015) schuf Sebastian Schipper mit seinem Berliner Liebes-Ganoven-Film "Victoria" so ein gelungenes Werk. Dass dieses filmische Mittel jetzt im Fernsehen angekommen ist und der "Tatort" Spielwiese für Außergewöhnliches wurde, ist erfreulich.
Aber: Auch wenn es hier einen großen Gewinner gibt, nämlich Kameramann Filip Zumbrunn, haben weder das Schauspielensemble noch die um den Fall herum gestrickte Geschichte (Buch: Dani Levy, Stefan Brunner, Lorenz Langenegger) eine echte Chance, sich gegen das starke Diktat der Form durchzusetzen.
In diesem Tatort fiebert man vor dem Fernseher in Echtzeit mit
So lässt sich dieser "Tatort" mit einem Theaterstück vergleichen, in dem alles auf Anhieb klappen muss. Hier müssen Schauspieler, Kamera, Ton, Maske und viele Statisten perfekt aufeinander abgestimmt sein. Was nicht nur wegen der verschlungenen Gänge des Kultur- und Kongresszentrums Luzern eine große Herausforderung ist. Aber im Theater lassen sich Unregelmäßigkeiten besser kaschieren, die Kamera macht gnadenloser auf "Fehler" aufmerksam. So müssen Schauspieler hier oft allzu offensichtlich Wartezeiten überbrücken oder mit Texthängern umgehen. Andererseits ist es ungewöhnlich spannend vor dem Fernseher mitzufiebern, dass keine größere Pannen passieren.

Franky Loving (Andri Schenardi), Sohn des alten Mäzens und in diesem Fall Verdächtigen Walter Loving (Hans Hollmann), lockert das Konzept ein wenig auf, indem er sich immer wieder mit spöttischen Bemerkungen über die zeitlichen, finanziellen und dramaturgischen Zwänge des Fernsehens direkt uns Zuschauer wendet. Auch den Kommisar Reto Flückiger (Stefan Gubser) im Fan-Outfit aus dem Fußballstadion und Kommissarin Liz Ritschard (Delia Mayer) im Abendkleid aus dem Konzert in den Fall stolpern zu lassen, war eine gute Idee.
Eine Nebenhandlung zu viel
Aber ab einem gewissen Punkt wird die Handlung, die so weitergehen muss wie das Konzert auf der Bühne (Jewish Chamber Orchestra Munich), nachdem der Klarinettist vergiftet zusammenbricht, zu abstrus. Dass in all dem Trubel Lovings Frau (Sibylle Canonica) auch noch mit einer Nebenbuhlerin zu kämpfen hat, die nicht nur mit ihrem Mann Walter schläft, sondern auch noch von ihrem Sohn Franky schwanger ist, ist ein Nebenplot zu viel.
Das Prinzip "The Show must go on" wurde hier zwar in jeder Hinsicht beherzigt, lässt den Tatort aber letztendlich doch über die eigenen davongaloppierenden Füße stolpern.