"Tatort: Das Mädchen, das allein nach Haus' geht": Nur der Showdown ist misslungen
Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des ""Tatort: Das Mädchen, das allein nach Haus' geht". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 22.05.2022, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
Der Hauptgedanke von „Das Mädchen, das allein nach Haus’ geht“ (Regie und Kamera: Ngo The Chau, Buch: Günter Schütter) ist: Wenn Gefühle dazwischenkommen, leidet die Professionalität. Was hier tödlich für Nina Rubin endet.
Für das Königskinder-Syndrom gibt es im dem ruppigen Dream-Duo eine diesmal explizit ausgesprochene Analyse: mangelndes Vertrauen. Aber das stimmt nicht, wenn man genau hinschaut. Denn die extrem zuverlässigen Kommissare Robert Karo (Mark Waschke) und Nina Rubin (Meret Becker) sind als Typen angelegt, die starke Bindungsängste haben. Nähe würde Selbstaufgabe verlangen, wovor sich die beiden Verletzlichen fürchten. Stattdessen verstricken sie sich in einen harten „Was sich liebt, das neckt sich“-Schlagabtausch, ohne zum befreienden Gefühl durchzubrechen.
"Tatort" aus Berlin: Der tödliche Fehler aus Gefühl
Wenn am Ende auf einem nächtlichen Rollfeld Karo die verblutende Rubin in den Armen trägt, ist das ein verzweifeltes Bild endgültiger Vergeblichkeit. Und dazu hat diese Berliner „Tatort“-Folge noch einen Nebenaspekt beigesteuert. Die Idee, dass in jedem Menschen eine Portion Homoerotik angelegt ist. Die verspürt Nina Rubin, als sie eine Aussteigerin aus der russischen Mafia schützt und dafür am Ende beim schussreichen Showdown der schönen Flüchtenden (Jeanette Spassova) sogar ihre kugelsichere Polizeiweste überstreift – der tödliche Fehler aus Gefühl. Ein wunderbarer Zusatzbaustein zu den vergangenen Liebeshemmungen der Kommissare in sieben gemeinsamen Jahren und 15 Fällen.
Ein wenig misslungen ist hier nur der Showdown am Flughafen, der kein gutes Timing und keinen Rhythmus findet, wenn Karo und Rubin ihre letzten, größten, Fall stemmen: Russenmafia, deren Korruption und Erpressung bis weit in die Polizeistruktur und die Politik hineinwirkt. Nach dem Abspann muss Karo die erbeutete Festplatte allein der Staatsanwaltschaft übergeben. Danach wird Corinna Harfouch an seine Seite treten. Was die Drehbuchautoren und Regisseure mit Harfouchs Kühle und Intelligenz anstellen?