So wird der Bremer "Tatort" am Sonntag
Bremen/München - Geht gut los, dieser "Tatort". Zwei Hummer blicken in einem Aquarium in einem Bremer Restaurant einer ungewissen Zukunft entgegen, während im Hintergrund Boney M "Daddy Cool" beschwört. Eben jener sitzt in Gestalt von Uwe Frank, genannt "Papa" (Roeland Wiesnekker), in einem schmierigen chinesischem Restaurant und erklärt einem jungen Schläger die Welt. "Ich wollte nur, dass der Typ die Fresse hält", rechtfertigt sich der jugendliche Heißsporn. Die Antwort von "Papa", seines Zeichens Bewährungshelfer mit überdurchschnittlicher Resozialisierungsquote: "Und ich wollte nur Romy Schneider vögeln - hat auch nicht geklappt." Die ersten zwei Minuten von "Alle meine Jungs" kann man so stehen lassen.
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Die restlichen 87 Minuten verlaufen leider nicht ganz so geschmeidig, auch wenn sich der Bremer Stamm-Regisseur Florian Baxmeyer und sein Team einige nette Kniffe einfallen haben lassen. Letztendlich ist die Geschichte um mafiöse Strukturen bei der Müllabfuhr zu sperrig und überhöht, um vollends überzeugen zu können.
Darum geht's: Ein Müllmann stirbt an seinen Stichverletzungen. Seine Kollegen scheint sein Tod allerdings nicht zu wundern. Die Bremer Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) durchleuchten das Umfeld des Opfers und sind zunehmend irritiert. Es geht um den Müll der Stadt, eine Straße voller Ex-Häftlinge, die nach ihren eigenen Regeln leben - und einen Mann, der alle Fäden in der Hand hält: Uwe Frank alias "Papa".
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Lürsen und Stedefreund gehören auch diesmal nicht zu den Ermittlern, die sich dem Zuschauer durch übertriebene Selbstdarstellung aufdrängen. Das mag manch einer langweilig finden, die norddeutsche Unterkühltheit der beiden passt aber zu den oft sozialkritischen Themen, die sie sich vorknöpfen. Die Geschichte steht auch diesmal im Vordergrund, nicht die Ermittler. Der letzte Fall "Brüder", in dem es um ausländische Banden-Kriminalität ging, war ähnlich gestrickt. Auch darin ging es um ein kriminelles Netzwerk.
Diesmal allerdings macht es einem die extrem konstruierte Geschichte schwer, der Handlung durchgängig zu folgen. "Resozialisierung steht in Deutschland nicht an erster Stelle. Ex-Knackis sollen auch eher aus den Augen - wie der Müll. "Hauptsache, er wird regelmäßig abgeholt und stinkt nicht vor dem Haus rum", erklärt Drehbuchautor Boris Dennulat im Gespräch mit Radio Bremen die gewagte Ausgangsidee. Da mag etwas Wahres dran sein, letztendlich wirkt diese Metapher aber doch zu bemüht. Interessanter wäre es gewesen, die Mauschelein der Recycling- und Müll-Branche näher zu beleuchten, doch hier belässt es der Film bei Andeutungen und konzentriert sich lieber auf die sozialen Beziehungen der Handelnden.
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Wegen der vielen, nicht besonders interessanten Figuren, ist das eine langatmige Sache. Erst im letzten Drittel nimmt "Alle meine Jungs" nochmal Fahrt auf und rettet sich mit einem gelungenen Finale über die Ziellinie. Die überzeichneten Charaktere, die bereits bei "Brüder" störend auffielen, springen einem auch hier sofort ins Auge: Müllmänner sind natürlich muskelbepackt, tätowiert und grölen, wenn eine Stripperin aus einer Torte hüpft. Auch der Rest des Milieus trieft vor Klischees. Aus dieser Kritik ausgenommen ist Roeland Wiesnekker, der den Bewährungshelfer "Papa" herrlich facettenreich und mit sichtlicher Freude spielt. Einen interessanteren Bösewicht muss man beim "Tatort" lange suchen.
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Fazit: Das "Tatort"-Team von Radio Bremen versucht sich erneut an einem ungewöhnlichen Fall, verhebt sich allerdings etwas bei der Ausführung. Die konstruierte Geschichte plätschert lange Zeit ziellos dahin, bis der Film im letzten Drittel endlich anzieht. Das Ende entschädigt zumindest teilweise für so manche Durststrecke. Zuschauer mit einem Faible für ungewöhnlich erzählte "Tatort"-Filme können reinschauen.
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