So täten sie und gerne sehen wollen
Die Stadt, in der es niemals regnet – ein neues „Merian“-Heft über München.
Unser Himmel, weiß und blau – den gibt’s reichlich. Das Reisemagazin „Merian“ hat ein Heft über München veröffentlicht. Eine gute Gelegenheit zu prüfen, was man da draußen an unserer Heimatstadt berichtenswert findet.
Beim ersten Blättern bleibt man gleich mal am zweiseitigen Aufmacherfoto der von „SZ“-Journalist Alex Rühle liebevoll kritisch geschriebenen Geschichte über das Glockenbachviertel hängen. Junge Menschen in der Picknickidylle eines leuchtgrünen Gärtnerplatzes. „Nacht über dem Paradies“ ist der Titel. Den Morgen über dem Saustall sollen andere drucken.
Junge Menschen auf der Treppe der Antikensammlung, frische Körper im Eisbach, It-Girls am Kabelsteg, oberkörperfreie Boys auf einem Ast über der Isar. Wampen und Falten gibt’s nicht bei uns. Halt, da sitzt einer – Stammgast im Hofbräuhaus, in der Schwemme, behängt mit Horn und Hirschgeweih, dass einem schwummrig wird – ein Original. Dazu eine Geschichte über Musik im Hofbräuhaus, wo sich Eingeborene und andere Nationen treffen. „Die Stadt erdet ihre Weltoffenheit mit vertrauten Bildern, die Zugereiste oft arg klischeehaft finden“, schreibt die in München geborene Redakteure Tinka Dippel.
Dippel ist „treuer Fan“ des FC Bayern, das teilt uns Chefredakteur Andreas Hallaschka im Vorwort mit. „Planet Bayern“ heißt die dazu passende Geschichte über die Roten. Dass es auch Blaue geben soll, wird an anderer Stelle immerhin erwähnt, beispielsweise von Christian Ude, der hier ein letztes Mal als OB von München in die Welt grüßt.
Aufwändig und gelungen ist die Idee, die wichtigsten Münchner Museen der bildenden Kunst durch die Leiter jeweils anderer Häuser vorzustellen, die über ihre Lieblingswerke schreiben. Ein Porträt des Kunsthändlers Konrad O. Bernheimer, ein Interview mit dem Haus-der-Kunst-Chef Okwui Enwezor: Die bildende Kunst hat es gut in diesem Heft.
Weniger gut hat es die Klassik – immerhin die Oper bekam einen Infokasten. Pop-Spielstätten wie Muffathalle oder Backstage hat man ganz übersehen. Kabarett und Theater bekommen immerhin ein paar Zeilen und Adressen. Außerdem gibt’s die erwartbare, etwas zufällig anmutende Auflistung von Restaurants, Biergärten, vielen Clubs und Einkaufstipps, die den Einheimischen nicht überraschen.
Haidhausen, Glockenbachviertel, Lehel – so täten sie uns halt gern sehen wollen. Giesing oder Schlachthofviertel passen, zugegeben, nicht ins Hochglanzheft für geldige Touristen. Luise Kinsehers Wutausbruch über durchgestylte Schickimickis und Lebensraumausverkauf ist da so erfrischend, dass man ihn sofort visuell korrigieren muss. Durch den prachtvoll aufragenden Viktualienmarkt-Maibaum vor weiß-blauem Himmel.
Merian München, 7.95 Euro